Die Welt schlägt zurück

Eine unfassbare Katastrophe ist gestern am 11. September 2001 in New York passiert, ein Datum, das in die ewige Geschichte der Menschheit eingehen wird. Formell ist folgendes geschehen: Zwei Flugzeuge wurden von Terroristen in die Türme des World Trade Centers gesteuert, worauf diese Gebäude in Feuer aufgingen und nach etwa einer Stunde zusammenkrachten. Dabei wurden möglicherweise Tausende von Menschen getötet. Später wurde ein Grossflugzeug voller Passagiere auf das Zentrum der militärischen Macht dieser Welt, das Pentagon in Washington, geworfen, wobei ein Teil in Flammen aufging und ebenfalls zusammenbrach und etwa 1000 Menschen den Tod fanden.

Die Bilder wurden während des ganzen Tages in die Stuben der Welt geschickt. Sämtliche Fernsehsender sprachen nur noch über dieses Ereignis. In aller Eile werden "Amerikakenner " in die Studios gelotst und endlos ausgefragt über die spekulative Täterschaft, die Möglichkeit, dass trotz des besten Geheimdienstes der Welt diese unglaublich komplizierte logistische Leistung erbracht werden konnte, die politischen und wirtschaftlichen Folgen dieses Geschehens und die möglichen Reaktionen und Vergeltungspläne des Präsidenten. Nicht gesprochen wurde davon, wie es möglich ist, dass der Hass gegen die mächtigste Nation der Welt dahin führte, dass offenbar während Monaten, wenn nicht gar Jahren diese Anschläge minutiös geplant werden konnten und in dieser langen Zeit offenbar keine Gründe zu finden waren, diese schauerliche Tat abzusetzen. Sofort wurde die Täterschaft in palästinensischen Kreisen oder beim Schreckgespenst Osama Bin Laden in Afghanistan vermutet. Doch schon in der Vergangenheit wurden immer wieder solche "Schurken", als Lieblingsschreckbilder der Welt aus der Sicht der USA, zuerst angeprangert und später stellte sich heraus, dass die Täter inländische Fanatiker waren.

Seit McCarthy keinen Schritt weitergekommen. Immer werden böse ausländische Ideologen vermutet hinter bösen Taten. Nur das reine Amerika ist offenbar so unantastbar, dass kein Mensch ohne Gegenbeweis auf die Idee kommen darf, dass ein Land, das prozentual die höchsten Zahlen an hausgemachten Kriminellen in den Gefängnissen hält, auch genügend Potenzial für Hass auf Institutionen und die Regierung erzeugen könnte. Es wird sich zeigen, wer die Täter sind, und wenn es ausländische Täter sind, gibt es Gründe. Es war für mich unerträglich zu sehen, wie in Palästina, aber auch in anderen Staaten und Regionen immer wieder grosse Verbrechen begangen wurden von anderen Staaten oder Regimes, die vielfach den Segen und den Schutz, wenn nicht gar die Ausbildung und die Waffen aus den USA bezogen hatten. Und offenbar mochte sich kein Mensch über die Taten, die täglich über den Bildschirm flimmerten, aufregen. Der Hass dieser Völker und Benachteiligten war mit Händen zu greifen, doch wir in Europa dachten uns wohl, dass dies alles ja nur arme Schweine treffen würde, mit wenig Wirtschaftsmacht und einer Bildung der Bevölkerung, die jeder Beschreibung spottet.

Diese "Realität" wurde andernorts ganz anders aufgefasst, denn die Schandtaten, die dieser Staat im Windschatten der Nachrichtendienste seit dem Zweiten Weltkrieg unbestraft unternehmen durfte, sind auch im besten Buch nicht zu beschreiben. Einmal vom Vietnamkrieg abgesehen, wo Millionen von unschuldigen Menschen aus ideologischen Gründen vernichtet wurden, hat sich dieser Staat überall dort eingemischt, wo er seinen Kapitalismus gefährdet sah: Folterregimes rund um die Welt, die die eigenen Bürger zu Tode folterten, mit Wissen und Unterstützung der USA. Da wunderte ich mich schon lange, warum nicht schon längstens eine Phalanx von Antiterroristen gegen diesen Staat aufgetreten ist, um Gegenrecht zu halten.

Ganz humorig ist die Geschichte mit den Taliban in Afghanistan. Diese wurden im Kampf gegen die Sowjetunion ausgebildet und hochgerüstet, im Sinne der gedankenlosen Maxime der USA: "Der fanatische und schurkische Feind meines politischen Hauptfeindes ist unser aller Freund". Sinnbildlich für Pinochet gibt es Hunderte solcher "Pinochets" und Staatsterroristen, die von den USA hofiert und gefördert worden sind unter Inkaufnahme einer Opferzahl, zu deren Vergleich die x-tausend Toten in New York ein Klacks sind. Ich selbst wurde erstmals gegen die USA sensibilisiert, als ich in den Zeitungen lesen musste, dass die Schergen der von den USA gestützten Generäle Argentiniens die eigene sozialistische Jugend mit grauenvollsten Methoden zu Tode folterten und massenweise ins Meer warfen.

Die Medien sind nicht in der Lage, diese kapitale Frage des Verhaltens der USA zu beurteilen und zu thematisieren, sondern sie wundern sich heuchlerisch, dass ein Gegenterror gegen einen ideologisch verblendeten Staat wie die USA überhaupt möglich sei und bejammern die unschuldigen Opfer. Das tue ich auch, ich finde es unerträglich, dass gewöhnliche Menschen immer wieder Opfer werden von provozierten Vergeltungsschlägen, die jenen Mächtigen gelten, die sich verschanzen und sich von riesigen Schutzsystemen immun machen lassen. Dieser Umstand, Unrecht nicht mit gleichen Waffen erwidern zu können, ist ein weiterer Grund, warum die Anschläge immer grauenhafter und ungerechter werden für die Unbeteiligten an den Verbrechen, die die Führungen und das Militär von gewissen Staaten begehen.

Natürlich sind die USA nicht die einzige Nation, die sich Staatsverbrechen zu Schulde kommen liess in den letzten 50 Jahren. Aber keine Nation ist mit solch schnoddriger Art bis auf den heutigen Tag darauf aus, nur ihre Sicht der Dinge zuzulassen und entsprechend mit der ganzen Staatsmacht zu reagieren. Die Art, wie die Palästinenser als Sündenböcke herhalten müssen für eine langjährige Politik der Erniedrigung durch ihren Schutzliebling Israel steht stellvertretend für die Art, wie die USA unterscheidet in Verbrechen an ihren Schutzstaaten und ihrem eigenen Staat und Verbrechen, die in sogenannten "Schurkenstaaten" begangen werden. Theoretisch ist aus der Sicht der politischen Führung der USA jede Nation ein "Schurkenstaat", die nicht die Sicht- und Lebensweisen des freien Amerika und die Freuden an den Vorzügen des Kapitalismus teilt. Resultat: Die Opfer dieser Freiheiten und des Kapitalismus zu Gunsten der Vorherrschaftsmacht USA sind stets die Schwächeren, die sich in ihrem Frust diese Benachteiligung und Verachtung ihres individuellen Eigenwertes nicht ewig bieten lassen wollen.

Wenn es sogar die eigenen Landsleute als Ökologen und Globalisierungsgegner nicht mehr aushalten können, mit welcher Arroganz sich das offizielle Amerika gegen den Rest der Welt wendet und immer verrücktere Methoden entwickelt, um die Schwachen dieser Erde noch etwas mehr zu benachteiligen, dann darf es nicht mehr vorkommen, dass die Medien so tun, als seien sie nicht fähig, auch noch die einfachsten Zusammenhänge des Geschehens auf die Linie zu bringen. Ich lehne es ab, die Journalisten und Redaktoren für so dumm zu halten. Die ganze Wahrheit: Die USA haben es bereits geschafft, dass alle sich vor ihrer Macht verbeugen und kein Staat in der Lage ist, sich für langperiodische Hintergründe zu interessieren und diese zu verstehen. Diese Ohnmacht und dieses Anpassertum erinnern fatal an die Haltung der Schweiz gegenüber dem Hitlerdeutschland zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Die Ethik der Vielen kuscht neuerdings weltweit vor der Macht von Einzelnen.

Ich begreife einfach nicht, warum die intelligenten Menschen dieser Erde nicht in der Lage sind, die Ursachen von Geschehnissen während des Aufbaus von Hass durch Erniedrigung richtig einzuschätzen. Die ethisch denkenden Intellektuellen sollten endlich begreifen, was am weltweiten Geschehen Ursache und was Wirkung ist, um psychologische Verwerfungen frühzeitig zu erkennen und damit Terror zu vermeiden, bevor "unverständliche" Taten von Terroristen, in der Regel eigentlich verzweifelte und ohnmächtige Menschen, begangen werden.