Die Welt von morgen

Eine Provokation, diese Vorstellung, es liesse sich über eine Welt von morgen schreiben. Wie sagte doch ein Freund aus meiner Vergangenheit: "Ich beginne erst dort zu denken, wo Du mit Deinen Gedanken am Ende bist." Dies sagte ein Mann, der von nichts etwas verstand und sein Geisteskapital darauf konzentrierte, wie man Anderen das Geld aus der Tasche ziehen kann als Immobilienmakler.

Über die Welt von morgen hatte er nur Vorstellungen, die eine einfache Denkkraft erzeugen kann, den ganzen Quark von unvergorenen Phantasien der Machbarkeit, wie sie uns aus allen Postillen der Bürgerlichkeit entgegen grinsen, auf Hochglanz und computergestaltet, Wahnsinnsgebäude der Vorstellung von erwachsenen Knaben, die in geistigen Sandkasten spielen und sich ungeheuer wichtig vorkommen. In ihrer geistigen Beschränktheit verblüffen sie nur gleichgesinnte Täter der Allmachtsphantasien, die eindimensional falsche Prioritäten fortdenken, jedoch einen wirklich denkfähigen Menschen in einen endlosen Aufruhr der negativen Gefühle versetzen, ähnlich den Gefühlen, die uns beim Zusammenbersten der Wolkenkratzer in New York übermannten.

Ich selbst habe ganz klare Vorstellungen, Wunschvorstellungen zumeist, von einer zukünftigen Welt, in der zu leben sich noch lohnt. Doch wie die Menschen diese Erde beschaffen wollen, davon kann ich keine Ahnung haben, weil ich die Logik der Leute, ihre unendlich einfache Beschaffenheit der Vorstellung zur Schaffung einer möglichen Zukunftsrealität noch nie begriffen habe. Und so bleibt mir nichts anderes, als mir in eine der schlimmsten Sciencefiction-Horrorshows vorzustellen, wozu diese Menschheit in ihrem Machbarkeitswahn noch fähig sein wird. Dann verdopple ich diese Vorstellung, füge noch etwas Zeitgeistweisheit der Technologiephantasien hinzu, wie es mein gewesener Freund gemeint haben dürfte, der sich wohl "bessere" Gedanken über eine Welt von morgen fortgeschrieben hat, und dann habe ich dieses perfekte Bild einer Zukunftsrealität der einfachen Denkart vor mir.

Doch diese Horrorvorstellung des Machbaren hatten schon andere Denker und Schriftsteller zuhauf und so bleibt mir eigentlich nur noch, die wünschbare Welt von morgen so zu sehen, sozusagen als Leitfaden, wie man es sich auch als Wunschmodell hätte vorstellen mögen: Die Welt von morgen leidet nicht an einem Übermass an Menschen und die wenigen Menschen, die vorhanden sind, bilden keine Staaten, Religionen oder Ideologien, sondern sie unterwerfen sich einer Vernunftsphilosophie des Machbaren innerhalb von Grenzen, die in eine weite Zukunft leiten können. Sie benutzt die Natur als Natur, nicht als Reservoir für wahnwitzige Verschleuderungsmechanismen, sie setzt den Geist vor die Wissenschaft, die Literatur vor den Boulevard, sie will, dass nur noch sinnvolle Beiträge in Kultur, Film, Fernsehen, Radio und Zeitungen erscheinen, die Verherrlichung von Krieg, Kraft, Gewalt und Grausamkeiten wird als das gesehen, was es ist: überflüssiger Ballast von kranken Hirnen einer Spezies, die weit über das Stadium einer Höhlenbewohner-Realität hinweg gekommen sein sollte, die Fortbewegung wird langsam sein und grosse Distanzen werden nur im Notfall und gut begründet überbrückt, der Verbrauch von Energien wird genau bemessen, es wird keine übermässig reiche oder arme Menschen mehr geben, die Tiere werden unsere Freunde sein und nicht in Massen und auf brutale Weise gehortet, abgeschlachtet und verspeist, die beste Unterhaltung wird das Studium der Natur, des Alls, des Seins, des kulturellen Erbes der Menschheit sein, ein Weltweisenrat wird dafür sorgen, dass die Hirne der Menschen nicht mit Matsch der niedrigen Denkarten überversorgt werden und so fort.

Ich weiss, dass die Umsetzung solcher Theorien immer im Chaos enden wird und schliesslich ein blödsinniger Überwachungsstaat daraus resultieren kann, wie ihn der Big brother-Erfinder bereits geahnt hat. Doch warum ist dies so? Eigentlich nur deshalb, weil die menschliche Natur dermassen chaotisch und unvernünftig ist, dass immer wieder das gleiche Schema zerstörerischen Verhaltens jede noch so gute Idee oder Philosophie zunichte machen muss. Es geht nicht anders. Wenn nicht das fundamentale Denken der Massen berührt und so verändert wird, dass das Wesentliche, das uns gut tun würde, unterschieden werden kann vom Unwesentlichen, das uns zerstört, solange wird jede Philosophie in sich selbst kollabieren und sich selbst zerstören, indem sie an der Mauer der Unvernunft der Menschen zerschellt. Immer wieder, immer wieder von neuem und immer nach dem gleichen Schema. Man hat es gesehen mit dem Sozialismus, mit dem Kommunismus, dem Kapitalismus, allen Religionen und allen Ideologien der Menschheit, die an sich selbst gestorben sind und zu unendlichem Leiden für alle Betroffenen geführt haben.

Man erlebte immer dann Blüten der Menschheit für einige Jahre oder Jahrzehnte, wenn die lebbare Vernunft und unideologische Gedankenwelten das Zepter des Seins übernommen hatten und alle überzeugt waren, in diesen geistigen Grenzen leben zu können. Wer darüber hinweg denkt und sciencefictionartige Zukunftswelten entwirft, plant den Untergang seiner eigenen Gattung und zwar zwangsläufig, weil wir Mittel der Wissenschaft und der Technologie zur Hand haben, die jeden falschen Denkprozess sofort in ein Desaster überführen werden.

Wir alle sitzen in dem Zug, der auf die menschliche Endmauer zustürzt und glauben, von Champagner und Salontischchen umgeben, dass wir in der besten aller Welten sitzen würden. Ein Blick aus dem Zug und wir würden uns zu Tode erschrecken. Doch dazu ist unser Geist zu sehr eingeschränkt. Wir sind zu Mutanten einer Welt geworden, wo der wahre Geist des Denkens nur noch als Beleidigung adressiert an die politisch Korrekten verstanden werden kann. Der Dünkel der Nichtdenker, jedoch mächtigen Menschen ist dermassen gross geworden, dass daneben ein Gedankengebäude der philosophischen Vernunft zerbröselt wie die Zwillingstürme in New York unter dem Druck von marginalisierten und vernachlässigten Menschen einer anderen Kultur.

Wir haben es weit gebracht in unserer Welt, eigentlich eine Scheinwelt falscher Vorstellungen von Wirklichkeit, eine Welt von Wünschen, die nie in  Erfüllung gehen können. Wir sind aus der Welt gefallen und schweben im All der Albträume und des Verderbens - und keiner hat es gemerkt. Deshalb schreibe ich nur noch über eine Vorstellung einer Welt von morgen, die so nie Tatsache wird und freue mich an einem Leben, das ich für mich selbst bis jetzt noch unter Kontrolle halten konnte. Doch die Menschheit als Ganzes hat jede Kontrolle über sich und die Welt, in der sie lebt, verloren. Es muss so weit kommen, dass sich nur noch die Vorstellungen von denkfähigen Menschen verwirklichen dürfen, sonst leben wir weiter in einem Planschbecken der Unvernunft, in welchem alle absaufen, unterschiedslos, gleichgültig ob genienah oder kreuzbrav dumm, alle werden Opfer mangelnder Denkfähigkeit hinsichtlich der Grenzen des Machbaren in einer chaotisch gewordenen Wirklichkeit.