Von den Frauen als Menschen

Wenn ich höre und sehe, wie in den modernen Zeiten die Frauen als fremde Wesen beschrieben werden, dann denke ich, dass wir grundlegend erkennen müssen, was Menschen sind. Menschen sind eine Art von Säugetieren, die sich wie bei allen Tieren unterscheiden in weiblich und männlich. Dabei entsprechen sich diese zwei Geschlechter mit Sicherheit in ihren wesentlichen Funktionen zu über 99 %, ist doch schon allein die genetische Unterscheidung etwa zu Affen oder Hunden sehr gering. Die Übereinstimmungen sind gewaltig: ähnlicher Körperbau (Glieder, Haut, Kopf, innere Funktionen), gleiche Nahrungsaufnahme, Verdauung, Kraftumsetzung, Lüste und Schmerzen, beinahe identisch bezüglich Gehirn und Geistestätigkeit, Fähigkeit zu konkretem und abstraktem Denken und vieles mehr. Doch über das eine Prozent, wo Unterschiede bestehen, wird eine Riesenwissenschaft entwickelt, bevor man überhaupt versteht, was der Mensch ist. Einmal mehr plustert sich das Menschengeschlecht in seiner Selbstbetrachtung gewaltig auf, nur um von den wesentlichen Dingen des Lebens und der Welt abzulenken.

Natürlich ist es die Frau, die Kinder auf die Welt bringt, sie ist fürsorglicher als der Mann, ethisch oft höherentwickelt, ihr Hirn unterscheidet sich nur wenig vom männlichen, doch es unterscheidet sich immerhin. Beim Mann erlaubt der Körperbau mehr Kraftentwicklung, offenbar verfügt er über mehr Zugang zu logischen Gedanken, er ist aggressiver und kriegerischer als die Frau. Doch alles Übrige hat beinahe nichts mit der Genetik, sondern fast alles mit Historie zu tun, mit Entwicklungsschritten, mit Gewohnheiten, Erziehung, Lehren in der Wissenschaft, Literatur, Gesellschaftssystemen und Normen, die sich im Ablauf der Zeit gebildet haben und zum unbeweisbaren Kanon geronnen sind. So geht es mit allen Gedankennormen der Menschheit. Hätte sich die Entwicklung, also die Historie, anders dargestellt, hätten wir auch andere Frauen und Männer. Immer noch würde die Frau die Kinder auf die Welt bringen und der Mann wäre stärker gebaut in seiner Körperanlage, doch diese biologischen Merkmale wären sozusagen die einzigen wesentlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Unterordnung der Frau - in der Wertung der Art - unter den Wert des Mannes ist künstlich, gefördert über eine Glaubenslehre des Seins der Geschlechter, die mindestens so abstrus ist wie alle menschengemachten Glaubenslehren an diverse nicht beurteilbare und nicht nachweisbare Götter der verschiedenen Religionen. Die Frauenbilder und die Götterbilder unterscheiden sich denn auch in allen Religionen. Es ist somit nicht die Realität, die Frauen zu Frauen und daher minderwertig macht, sondern der Glaube des vom Mann auf die Frau übertragenen Hirngespinstes, dass dies so sei und so zu sein habe.

Natürlich ist meine These ebenso wenig beweisbar wie der Gottesglauben. Doch sie hat etwas sehr Wichtiges für sich: die Logik und die praktisch angewandte Vernunft. Wir haben uns eine Komplexität des Denkens angewöhnt, die weit über das Ziel des Reellen hinaus schiesst und uns zwingt, Schlüsse zu ziehen, die völlig überflüssig, ja manchmal sogar abstrus sind. Einmal abgesehen davon, dass alle Naturwissenschafter Menschen sind und somit historisch als Frauen oder Männer denken und daher nicht neutral sind, ist es doch so: Könnten sie jenseits ihrer eigenen Denknormen rein naturwissenschaftlich denken, kämen diese Wissenschaftler zum Schluss, dass meine These von der Gleichartigkeit, von der Gleichwertigkeit und vom enorm kleinen Unterschied einfach stimmen muss. Eigentlich habe ich keine Lust, Beweise vorzulegen für meine These, denn die Loslösung von historischem Gedankenschwulst genügte vollends, um gedanklich bei Null anzufangen und festzustellen, dass sie stimmt. Sie stimmt bei Hunden, bei Affen, bei Vögeln, bei Fischen, bei Löwen und Katzen, sie stimmt im ganzen Tierreich, nur bei den Menschen machen wir eine Riesenkluft zwischen den Geschlechtern, nur um uns und die Geschlechtlichkeit interessanter zu machen als sie ist. Damit werden vor allem die Frauen künstlich erniedrigt, es werden ihnen Kräfte, Gut- und Schandtaten zugesprochen, die mit ihrer Natur nichts und mit der Geschichtlichkeit der Art Mensch der letzten 10'000 Jahre alles zu tun haben.

Wenn wir eine bessere, gleichwertige Menschheit haben wollen, müssen wir zuerst den kleinen Unterschied wortwörtlich als solchen verstehen, anstatt ganze Bibliotheken zu verfassen und zu lesen über die kuriosen Unterschiedlichkeiten dieser zwei Geschlechter. Wie immer werden bei dieser Zeitgeist-Indoktrination die Täter zu Opfern. Je mehr Frauen sich wichtig machen wollen über ihre Besonderheit, umso mehr zementieren sie, dass die Männer sie als separate Wesen verstehen, sie mit der Macht ihrer Geschlechtlichkeit unterdrücken und als zweitklassige Menschen interpretieren: zuerst der Mann, dann das Weib und dann der Hund - oder umgekehrt bei den zuletzt Genannten!

Sind diese Gedankengänge überhaupt interessant? Sie sind nicht interessant, sie sind fundamental. Wenn wir nicht verstehen, wie wir uns zu verhalten haben zwischen den Geschlechtern der gleichen Art, wie wollen wir dann neue Verhaltensweisen entwickeln gegenüber den Tieren, den Pflanzen, der Umwelt, der Erde als Ganzes und schliesslich - und dies ist das Wichtige - dazu beitragen, dass sich unsere Gedankennormen dahin entwickeln, dass wir endlich verstehen, wer, wo und was wir sind. Ohne diesen Lehrgang verkommen wir zu immer komplexeren und verwirrteren Wesen, die sich technologisch, genetisch und wissenschaftlich das eigene Grab schaufeln. Eigentlich ist es geistig bereits ausgehoben, wir brauchen uns nur noch fallen zu lassen.