Im Moment werden die Werke eines Michel Houellebecq mit "Elementarteilchen" in der Literatur und eines David Fincher mit Filmen wie "Seven" und "Fight Club" gehandelt als Augenöffner über den Zustand unserer Zeit und als Vorwegnehme der gesellschaftlichen Entwicklung in eine unerträgliche Zukunft. In höchsten Tönen werden solche Schriftsteller und Filmemacher für die Darstellungskunst einer unlebbaren Welt gerühmt, sie würden das Bewusstsein der heutigen Generation für die wirre Geistesverfassung spiegeln und so die Augen öffnen für mögliche Korrekturen aus dieser geistigen Verwirrung in einer verschwörerisch unklaren Gegenwartswelt. Vorerst würden Einzelne aufgeklärt, aber dann immer mehr Menschen von der Realität ihres wahren Wesens überzeugt.
Ich jedoch bin der Meinung, dass diese "Kunstwerke" nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems sind. Sie zeigen keine Lösungswege aus dem kommenden Chaos unkontrollierter Triebe von Gier, Geldsucht, goldigem Schein statt charakterlichem Sein, Designerwelt statt naturgegebener Welt, Medienverblödung statt Medienverbesserung, Kulturvortäuschung statt Kulturschaffung usw. Sie benutzen dieses Material selbst wieder zur Geldmacherei und zur Befriedigung niederer Triebe als Vorboten der noch nicht verbrecherisch gewordenen Massen. Alles gerät den Machern nur zum Bestandteil eines selbstgeschaffenen Lifestyle-Getöses der niedrigsten Geistesart.
Indem man die Schrecklichkeiten der Gegenwart und Zukunft eins zu eins umsetzt, häufig in künstlerischer Weise, doch bei völliger Apathie und Interesselosigkeit der Massen, betreibt man Schindluderei mit unserer beschränkten Aufnahmefähigkeit und Wahrnehmungskraft. Mit den Motiven von Massenmördern und ihren grauenhaften Taten werden Leser und Kinogänger scheinbar erschreckt und "aufgeklärt", doch in Wahrheit erfahren diese Menschen nur das wohlige Gefühl des Voyeurismus bei eigenem Noch-unversehrt-Sein. Damit wird gar nichts bewegt. Eine Bewegung heraus aus dem Chaos und der Unkontrollierbarkeit der Gefühle und der Gedanken wird nicht erreicht. Wir werden dadurch nicht geweckt, sondern im Gegenteil nur aufgegeilt und als Folge in eine fatale Aggressionsspirale verbannt.
Das ganze künstlerische Getue wirkt nur nachahmend grauselig. Es führt keinesfalls zu einer geistigen Revolution, die notwendig wäre, will man die Entwicklung durch Schubumkehr aufhalten und den kapitalistischen und geldgierigen Übermensch ohne Basishaftung vom Himmel seiner grausigen Phantasien holen. Dagegen müssten wir, wollten wir eine wirkliche Änderung bewirken, zur geistigen Besserung animieren, und zwar über die Vernunft und den Verstand, nicht über aufgeilende Bilder oder Texte. Wir alle kennen es, das Gefühl, wenn wir einen feinsinnigen, ethisch anspruchsvollen Film gesehen haben. Noch lange wirkt dieser Film oder ein gutes, humanes Buch nach, man erinnert sich seiner das ganze Leben. Es weckt ein Gefühl für die Notwendigkeit, mit anderen Menschen, mit Tieren und mit der Natur vorsichtiger umzugehen. Es will uns sagen, dass es höchste Zeit sei, selbst ein besserer Mensch zu werden und sich von den Schrecklichkeiten des Unmenschlichen zu entfernen, die alle Dämme einzureissen drohen. Nach einem Horrorstreifen oder nach einem vernichtenden Buch reagieren wir ganz anders: Wir sind aggressiv, mordlustig oder verängstigt, wir schonen weder unseren Hund zu Hause noch andere Menschen, sondern sind gefangen in einer Gewaltwelt. Man kennt diesen Mechanismus auch von Menschen, die in den Krieg ziehen oder zum Foltern ermuntert oder gezwungen werden. Zuerst sträubt sich alles in diesen Menschen gegen diese Gewaltausübung, der innere Schweinehund liegt noch schlafend darnieder, doch dann werden die Machtgefühle geweckt, die Killer und Folterer gewöhnen sich an die Lust ihrer Tätigkeit und schliesslich nehmen sie Gefallen an ihrem Quälen und Morden, ja, sie versuchen sogar, sich gegenseitig in der angewandten Grausamkeit zu übertreffen.
Man sollte die Psyche der Menschen besser nicht negativen Proben unterwerfen und über diesen Vorgang die Kontrolle verlieren. Wann begreift man endlich, weshalb der Ruf nach besseren Büchern, Filmen, Radio- und Fernsehprogrammen keine hohle Rede von Dummköpfen ist? Vermutlich haben diese "Hohlköpfe" als letzte geistige Barriere begriffen, woran unser Denken in den modernen Zeiten unter dem Einfluss der Hollywood-Filme und Zeitgeistliteratur grundsätzlich krankt: am Fehlen jeder Menschlichkeit und am Ausbleiben einer vernünftigen Philosophie im Alltag für eine immer oberflächlicher denkende Massenkultur. Nur ein humaneres Denken in Wirtschaft, Politik, Kunst und Literatur bewirkt eine Änderung in die richtige Richtung, in die Richtung des Denkens und Fühlens, wo sich ein Gefühl für Recht und Unrecht trotz Chaos entwickeln kann. Es braucht somit humanere, ethisch hochstehendere Bücher, Filme, Fernsehprogramme, eine Sprache zwischen den Menschen, die Besseres bewirkt statt Schlechteres. Es braucht Standards im Journalismus zur Fertigung intelligenterer, moralisch hochstehenderer Zeitungen und Zeitschriften. Jeglicher medialer Schund und jede Boulevardisierung des Geschehens wird endlich als das erkannt, was es ist: eine Gefährdung für die Überlebensfähigkeit eines immer mehr von Massenphänomenen gesteuerten Menschheitsbetriebes, für welche niemand mehr bereit ist, eine Verantwortung zu tragen. Politik, Armeen und Polizei sind wirkungslos bei der Steuerung der geistigen Fehlentwicklung - im Gegenteil, sie verstärken die Gewalttendenzen und sind meist ein wichtiger Bestandteil eben dieses Problems.
Eigentlich geht es um die Frage, wie man die Verstärkung der Schrecken der Gegenwart über die Möglichkeit eines ethischeren Denkens und einer humaneren Lebensgestaltung vermeidet, und nicht gegenteilig - durch Abfilmung eines sich abzeichnenden Horrors der Gesellschaftsentwicklung - eine Strasse in den Wahnsinn ebnet. Wie wird ein Mensch gebändigt und innerlich zu guten statt zu schlechten Taten geführt? Hauptsächlich über das fundamentale Erkennen der Ursachen der geistigen Entwicklung und der daraus abgeleiteten Wirkung auf sein Weltbild in der Gegenwart und in Zukunft. Sonst gerät alles zu einer "sich selbsterfüllenden Prophezeiung" des Bösen. Das Resultat davon würde sein: eine Zukunft in Angst und Schrecken in einer unkontrollierbar gewordenen Gesellschaft, die nicht erkennen kann, wie alles positive oder negative Geschehen verursacht und gesteuert wird durch das zeitgemässe Denken und die daraus resultierenden unbewussten Gedankenbeeinflussungen. Orwell hat es prophezeit, doch die Gegenwartskultur erkennt die Übererfüllung dieser Prophezeiung noch nicht.
Eine Beweisführung für diese These ist die Tatsache, dass es dem zeitgeistlichen "Kultur"-Betrieb offenbar leicht fällt, massenweise Filme in Hollywood und andernorts zu produzieren und trotzdem keinen höheren Sinn zu schaffen, der allen Menschen das Dasein erleichtern würde, sondern uns in eine irreale und gefährliche Phantasiewelt abdriften lässt. Orwell oder Huxley hätten in diesem Umstand den klaren Beweis gesehen, dass die geistige Qualität unseres Denkens vernichtet werden kann, nicht nur über Horror und Angstverbreitung der Medien, sondern in gleichem Ausmass durch die ungeheure Menge an nutzlosen Produktionen, die unseren Geist erdrücken und uns nur den Atem nehmen, um eigene Gedanken der Selbsterkenntnis entwickeln zu können. Die Wurzeln des Denkens verrotten zunehmend an der Geistlosigkeit der uns beeinflussenden Geldwelt und der Vergeblichkeit, einen ethischen Sinn in unserem Dasein in dieser eindimensionalen Welt zu erkennen, einer Welt der Überbewertung des Individuellen und der nicht erklärbaren "Freiheit" des gelebten Menschenmodells, dem alles andere untergeordnet wird.
Vom alltäglichen Frust des Schreibens
Da sitze ich nun vor dem Notebook und schaue aufs Mittelmeer vor der Küste von Monaco. Ein herrlicher Anblick. Der Hund liegt vor meinen Füssen und stöhnt von Zeit zu Zeit auf. Die Freundin wuselt in der Küche rum und fragt manchmal, ob ich etwas wolle, zu trinken oder zu beissen. Ich zeige auf meinen Bauch, mache "George W. Bush", das heisst, ich strecke den Bauch heraus und lege die Arme an, als hätte ich Riesenmuskelpakete darunter, sage nein und sie grinst dankbar. Dann schreibe ich weiter, wie jetzt, denke mir einige Gedanken zusammen und bin eigentlich recht zufrieden.
Wenn nur nicht dieser Scheissfrust wäre. Kein Mensch hat je eine Zeile meiner Texte gelesen, nicht etwa weil ich sie nicht propagieren würde. Nein, kein Mensch interessiert sich für diese Kost. Wie soll man da vernünftig schreiben können, wenn doch alles für die Katz ist. Ohne einen Vergleich des Anspruchs wagen zu wollen, denke ich immer wieder, wie ein Van Gogh seine Bilder zusammenkratzte, bei Wind und Wetter, ohne hübschen Hund und liebe Freundin zur Seite, und trotzdem sein Bestes gab. Er konnte nicht wissen, dass es das Beste der Malerei überhaupt war, kein Mensch sah es, nicht einmal er selber. Er war frustriert ob seiner Erfolglosigkeit und trotzdem voller Elan und innerer Kraft. Er wusste, dass er einfach etwas machen musste, das in ihm vorhanden war, und dass dieses Etwas von grosser Bedeutung sein konnte. Diese Chance haben nicht viele Menschen. Die wenigsten, auch wenn sie meinen Bedeutendes zu schaffen, sind dazu fähig. Wie erkennt man das Ungenügende und unterscheidet es vom Genialen? Kein Mensch hat Massstäbe. Genial ist schliesslich das, was später andere Menschen als genial bezeichnen.
Umgekehrt gibt es offenbar massenhaft "geniale" Menschen heutzutage. Wissenschaftler, die alle kennen, deren Bücher Millionenauflage erreichen, auch wenn kein Mensch den Inhalt versteht und auch kein Mensch versteht, dass diese Wesen zwar Intelligenzbestien sind, doch von universeller Denkdurchdringung noch nicht einmal eine leise Ahnung haben. Und doch: Sie sind die Legenden der heutigen Zeit, dieser Schleim von Wichtigkeit, auch wenn er nur dazu führt, dass die Menschheit etwas rascher im Lokus landet, im schwarzen Loch der eigenen Gedankenlosigkeit auf höchstem Intelligenzgrad. Wer macht den Unterschied? Welcher Mensch soll entscheiden, was gut war und was selbstzerstörend?
Ich weiss es. Es ist die Restmenschheit, die verbleibt, wenn sie genügend von der falschen Denkkraft ihrer Ikonen genossen haben wird. Der Gegenwartsfrust ist nur erträglich im Gedanken an diese Zukunftsmenschheit, die dringend darauf angewiesen sein wird zu verstehen, warum es nicht genügt, nur intelligent zu sein. In diesem Sinne waren fast alle Nobelpreise eine Ahndung von Verbrechern falscher Denkkraft - und niemand hat es bemerkt. Es ist doch wirklich einfach. Ein Denkprozess, der nicht automatisch zu einer besseren Welt führt, sondern im Gegenteil ihr Ende beschleunigt, ist nie und zu keinem Zeitpunkt ehrenwert und schon gar nicht mit höchsten Ehrungen und Preisen zu versehen. Doch wer macht das Mass zur Richtigkeit dieser Gedanken? Ich sehe weit und breit keinen einzigen Menschen, weder aus der Politik, der Wissenschaft, der Kultur noch aus der Philosophie, der dazu in der Lage wäre, das wirklich elementar universell Wesentliche vom alltäglichen Blödsinn des Seins zu trennen und neue Massstäbe zu setzen. Und so hocke ich nun in meinem Frust, versuche zu verdrängen, dass ich noch nicht einmal in der Lage bin, mit meinem Schreiben das Los meines Hundes zu verbessern.
Doch dies ist jetzt die einmalige Gelegenheit zu schreiben, was hier auch noch zu sagen wäre: Hätte mein Schreiben mehr Unterstützung erfahren, hätte ich viel mehr leisten können. Ich schreibe eigentlich nur selten und sehr wenig, vielleicht vier Stunden pro Woche, könnte aber ohne weiteres vier Stunden pro Tag denkerisch kreativ sein. Dass dies niemand will, ist offenbar. Und so beschränke ich mich auf das Hobby, statt Rosen zu pflanzen einige Gedanken auf Gottes Erde zu säen und zu hoffen, dass diese Gedanken-"Rosen" doch eines Tages zu blühen beginnen. Denn eine Rose, die nicht gesehen wird, ist nicht "schön" - und ein Text, der nicht gelesen wird, ist nicht "existent" und daher nutzlos. "La Suisse n'existe pas" hiess einmal ein Werbeslogan einer kulturellen Weltausstellung und er war ziemlich sinnlos. In Bezug auf Philosophie allerdings ist die Nichtexistenz von Kenntnisnahme fatal, nicht in erster Linie für den frustrierten Schreiber, sondern viel mehr für all jene, die diesen Text nie zur Kenntnis nehmen konnten.