Durch Zufall war in diesen Wochen zu lesen, dass die Philosophen Habermas und Singer zu den grössten Philosophen der Gegenwart zu zählen sind, ja, dass sie eigentlich die grössten Denker unserer Zeit darstellen. Erstaunlich, erstaunlich, haben doch deren Erkenntnisse angesichts der realen Weltprobleme und ihrer Auswirkungen auf die Zukunft in einem Taschentuch Platz. Ich erkläre mich:
Was ist an der Idee so bestechend, dass sich im Zeitalter der Globalisierung die nationalen Gebilde überholt haben? Ändert sich dadurch an unserer gelebten Wirklichkeit des Seins der Menschen und anderer Mitgeschöpfe irgendetwas wirklich Entscheidendes? Wird die Realität des gelebten Seins beim Wegfall staatlicher Gebilde sozusagen automatisch besser, wird die Vernichtung seiner selbst aufgehalten, werden die globalen Probleme neu verstanden, werden wir philosophisch neu durchleuchtet? Unterscheidet sich eine nationale Selbstvernichtung von einer globalen? Ändert sich das politische und wirtschaftliche Bewusstsein im Bezug auf unsere Lebensfähigkeit und jene von Pflanzen und Tieren, wenn wir die Lehren von Habermas beherzigen?
Und dann der andere, der gute Singer, der uns endlich neues relatives Denken beibringen will. Sehr löblich zwar, dieser Versuch, doch: Bewertung von unbewussten Menschen im Vergleich zu bewussten höheren Tieren, Betrachtung von Embryonen, Föten, Ungeborenen, Menschen ohne Bewusstsein im Vergleich zu höher einzuschätzenden "Personen", also bewusst lebenden Menschen und Tieren, was soll diese Theorie am Ende der Aufklärung noch? Alles kalter Kaffee. Diese Theorien sind dermassen selbstverständlich, dass man sich nicht über die Theorien von Singer wundern oder gar aufregen muss, sondern über die Blödheit der Menschheit, sich angesichts ihrer gewaltigen Bestehensprobleme im Ganzen im Kleinen zu amüsieren, auf diesem tiefen Niveau eines menschengemachten und wesensverachtenden Grössenwahns, angesichts der Realität einer ungeheuren Selbstüberschätzung der Menschen, ihrer Taten, ihrer Nationen, ihrer Globalisierung und ihrer Systeme von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, ohne Relativierung der von Menschen erzeugten Probleme auf das Ganze, aus engstem Gesichtsfeld des Zeitgeistes heraus zu "philosophieren".
Philosophie ist nicht die Lehre, wie sich der Mensch selbst zu beurteilen hat im Konzert seines Tuns und Seins in dem von ihm selbst geschaffenen gedanklichen und reellen Chaos des täglichen Ablaufes der Zeit, eng bezogen auf die gerade vorherrschende Gedankenwelt respektive den daraus fliessenden Zeitgeist der Selbstüberhöhung einer einzigen Art. Basis der Philosophie ist die Lehre um das Verstehen der Funktionen allen Lebens auf der Erde, in der Gesamtheit all ihrer Arten und Abarten, des ganzen erfahrbaren Seins, ohne den Mittelpunkt Mensch als grandioses Endwerk, als "Ebenbild" eines Aberglaubens an einen selbst erfundenen Gott. Es geht um das Verstehen aller Relativität im Raum der Unendlichkeit und in der Zeit der Ewigkeit. Jenseits geschmäcklerischer Selbstentblödung im Lichte eines Zeitgeistes der Beschränktheiten muss das philosophische Sein des Menschen verstanden werden, im Lichte der Schöpfung und der Evolution des Ganzen, angesichts des Hauches eines zwar imaginären, doch allgegenwärtigen Gottes, der zwar gedacht, aber nicht verstanden werden kann.
Das erste Philosophiekonzept scheint zwar eher mit unserer alltäglichen Wirklichkeit und ihren Nöten zu tun zu haben, wogegen der zweite Gedankenansatz zur Philosophie einer entrückten Gedankenschwüle zugehörig zu sein scheint. Das Gegenteil ist wahr: Die Menschen heute, und zwar alle, auch die höchsten Leuchten im Geiste, haben einfach nicht verstanden, in welcher Welt wir sind. Sie analysieren ständig unser Tun, bewerten es bis ins Kleinste und verstehen darob das Ganze nicht, das Grosse, das Fundamentale unserer Existenz, jenes der Erde, des Seins der Menschen, aller Tiere, aller Pflanzen. Die gottgegebene Wahrheit über das Sein als Ganzes ist zu keinem Moment in den Menschheits-Philosophien der Selbstbeweihräucherung des Willens und Denkens der Menschen im richtigen Ausmass verstanden worden. Gerade weil die Dinge so komplex sind, schreibe ich ganze Bücher wie dieses über das Thema, welches die fundamentalen Dinge sind, auf die es ankommt. Warum ein Geistesblitz, der nur in die vor uns liegenden Dinge einschlägt, nichts aussagt, wenn er nicht eingebettet ist in das Urgrollen der Entstehungsgeschichte dieser Welt mit all seinen Ausflüssen und Kreationen, das ist das Thema meines Schreibens. Auch wenn ich manchmal nur einen kleinen Gegenstand umschreibe, tue ich dies immer im Zusammenhang mit einem Denkgebäude, das das gesamte Sein in Raum und Zeit, in Unendlichkeit und Ewigkeit, umspannt und darin zu erkennen versucht, was die Rolle des Menschen in unserer Zeit sein kann. Nur insofern bin ich selbst zeitgeistig, als dass ich nicht versuche, das Unsinnige des Geschehens zu ergründen bezogen auf den Zeitgeist selbst, sondern den Zeitgeist und dessen Entstehen zu verstehen, im Gegensatz zu einer Wirklichkeit, die das Leben und das Sein aller Wesen auf dieser Erde langzeitlich möglich und erträglich machen würde.
Es geht nicht darum, wie wir denken und warum wir sind, sondern zu ergründen, warum wir in unglaublich kleinen Aufgeregtheitsfeldern denken und das Ganze unseres Seins nicht erkennen. Es ist für mich ganz klar, dass ich aus verschiedenen Gründen an dieser Aufgabe scheitern muss:
1. Die denkerische Messlatte ist dermassen hoch angesetzt, dass ich grosse Mühe habe, selbst zu verstehen, was das reelle Ganze ist im Vergleich zum vom Menschen verstandenen Ganzen. Ich weiss, dass hier eine Riesendiskrepanz besteht zwischen der Realität als solcher und der von den Menschen verstandenen Realität. Dieser Diskrepanz kann man jenseits des gelebten Zeitgeistes der Selbstvernichtung durch Auslöschung aller Lebensgrundlagen und der unglaublichen Selbstüberschützung der kleinen Art "Mensch" nachspüren, doch man soll sich immer bewusst sein, dass man sich hier eine heroische Gedankenarbeit aufgeladen hat, die zwar Schritt um Schritt abgetragen werden kann, aber doch eigentlich einer Sisyphusarbeit gleicht.
2. Selbst wenn man über ein gewaltiges Gedankengebäude verfügt, wie ist dieses in einer Art in Sprache zu bringen, dass andere Menschen nur schon einen kleinen Teil dieses Gebäudes, dieser Philosophie verstehen? In Anbetracht der menschlichen Selbstvernichtung über sein Tun könnte man denken, dass die Erkenntnis, dass der Mensch nur ein ganz kleiner Teil eines grossen Ganzen ist, doch ohne weiteres vermittelbar sei. Das Gegenteil ist der Fall: Vom Grossen zu schreiben, von der Schöpfung in Relation zu unserem schmalen Sein des Irrwitzes der daraus gegossenen Gedankenwelt, ist wohl das Undankbarste, was es gibt, denn es wird sofort als Grössenwahn verstanden statt als Philosophie des Wirklichen, der Abkehr von Glauben, Wahn, Willen, Selbsterhöhung, Erniedrigung von Gott, Tieren, Pflanzen, der Schöpfungsgeschichte, der Wahrheit der Evolution, kurz - dem Fundament unseres Daseins.
3. Es stellt sich schliesslich die Frage, weshalb ich mich überhaupt bemühen soll, in diesen Kategorien zu denken und zu schreiben. Nicht die Frage stellt sich, ob es andere schon besser getan haben, was ich bezweifle, weil mir dieser Denkansatz eben von anderen Denkern völlig unbekannt ist, in dieser Radikalität ohnehin, sondern die Frage muss deshalb gestellt werden, weil es keinen Sinn machen könnte, die Menschen zu neuen Denkufern zu führen und schon gar nicht in diesem Stil. Ich müsste Mittel und Wege finden, weniger direkt, weniger total, weniger fundamental zu schreiben und trotzdem die gedanklichen Ziele, die ich mir gesetzt habe, zu erreichen. Ich habe den Schlüssel noch nicht gefunden, wie man zu schreiben hat, damit man anderen Menschen vermitteln kann, was man denkt, in aller Bescheidenheit des Wissens um seine geistige Selbstbeschränkung, ohne sofort als Grössenwahnsinniger missverstanden zu werden.
4. Wer die Welt geistig verändern will, ist eben ein Grössenwahnsinniger. Da hilft es nichts, wenn die Antriebsfeder die Verzweiflung über die Kursichtigkeit der heutigen Menschheit, ihrer Medien-, Wirtschafts-, Kultur- und Politik-Führer ist, die auf erbärmlich tiefem Niveau vor sich hin vegetieren und vom Ganzen, dem Wichtigsten ihrer Existenz, einfach gar nichts verstehen. Wenn die Wissenschaftler sich dafür interessieren, was für Menschen machbar ist, ohne sich zu kümmern, dass dieses Machen tödlich ist für alles auf diesem Erdball, ein Trabant in einem Sonnensystem, in einem Weltall, gewogen von Gott, und von allem nichts verstanden haben, von Wissenschaft, Gott und der Welt, das ist ein Menschheitsdrama, das mit den niedrigen Dramen des Menschseins von Shakespeare nichts zu tun hat, hier sind wir in eine Grössenordnung des Denkens vorgedrungen, die die wirklichen Nöte des Menschseins aufzeigen würde.
Wenn wir nicht verstehen, was diese neue Philosophie der Gesamtheit des Realen will und kann, sind wir sehr bald zum Untergang verdammt, denn wir beschleunigen mit unseren Zeitgeist-Philosophien den Untergang nur noch. Nichts weist darauf hin, dass diese Philosophien an den grundlegenden Fehlentwicklungen in unserer Zeit etwas ändern würden. Wenn wir das Ganze unseres Seins nicht verstehen, wird bei gleichem Tun auch die Abschaffung von Nationalstaaten nichts bringen, lieber Herr Habermas, und wenn Menschen weiterhin das Bewusstsein bei Tieren verneinen, den ungeborenen Menschen aber verherrlichen, lieber Herr Singer, wird nichts passieren, was unser Dasein so korrigieren würde, dass wir wieder zu einem Anrecht auf Lebensexistenz für alle kommen würden.
Das Denkproblem liegt auf einer Latte, die so hoch ist, dass wir ständig nur im Kleinen geistige Veränderungen vornehmen, die viel zu langsam vor sich gehen, nicht tief, nicht fundamental greifen und deshalb praktisch nichts bewirken können. Es ist, wie wenn wir kleine Segeltücher zur Bremsung eines Zuges aus dem Fenster halten würden, eines Zuges, der mit zunehmend rasender Geschwindigkeit auf eine Mauer zustürzt, die rasch näher kommt, und die wir einfach nicht sehen wollen, obschon sie in der Ferne den ganzen Talboden ausfüllt. Es ist eigentlich diese Kurzsichtigkeit des Denkens im Zeitgeist, die mich zur geistigen Raserei treibt, natürlich angesichts der Unfähigkeit meiner selbst, dieses Gedachte in eine Form bringen zu können, die nun alle sofort verstehen: weit von der Erde entfernt, in ständigem Bewusstsein, was Ewigkeit und Unendlichkeit bedeuten könnten, auf die kleine Erde zu schauen, ihre Wirtschaftssysteme, ihre Technologiegläubigkeit, ihre Wissenschaftsverehrung, ihre Verehrung von unwesentlichen Menschen zu sehen und zu verstehen, dass dies alles nichts ist im Vergleich zu dem, was geschehen müsste, damit die Art Mensch überhaupt menschenwürdig, eingeordnet in die Realität anderer denkender und fühlender, mit Seelen ausgestatteter Wesen, so leben kann, dass man auf diese Art, also den Menschen, als ethisch denkender Gott stolz sein könnte, unabhängig davon, ob es diesen einen Gott überhaupt so gibt, wie es sich gläubige Menschen in ihrer Kleinheit des Geistes vorstellen wollen.
Eigentlich stehen wir vor dem Problem, ob wir es geistig noch schaffen können, uns selbst im Lichte einer Realität des ganzen Seins zu verstehen und zu erkennen und danach zu handeln, oder ob wir weiterhin menschliche Zeitgeist-Philosophiererei betreiben, die unserem Ego zwar sehr schmeichelt, aber das ultimative Erkennen, wer wir sind, wohin wir gehen und was wir wirklich tun, einfach verunmöglicht, weil die Bescheidenheit des Denkens jenseits von reinen Menschennormen nicht gegeben ist. Es gab diese Bescheidenheit vor langer Zeit, damals als die griechischen Denker versuchten, unsere Art in die Gesamtheit des Seins einzuordnen. Je "sophisticatischer", also je künstlich gewundener und eigendünklerischer die Gedankenwelt des Menschen wurde, umso mehr trat der Mensch selbst in der Philosophielehre in den Mittelpunkt allen Seins, als stünde er im strahlenden Licht eines selbst erdachten Gottes. Dieser Wille des Verstehens der Menschen im Mittelpunkt der Kreation des Alls ist die verderblichste Feder der Philosophie seit dem Altertum bis heute. Sie verhindert, dass wir wieder zurück zum Ursprung des Denkens gelangen und dann dieses All und die darin versteckten Wirklichkeiten des Seins wieder erkennen können, dass sich darin eine Gedankenwelt bilden kann, die ermöglicht, dass sich die geistige, moralische und ethische Sicht des Menschen über den Menschen endlich wieder normalisiert und relativiert.
