Seit vielen Jahren gehe ich gelegentlich mit Freundin und Hund in der Nähe des Klosterdorfes Einsiedeln auf einen kleinen Bergpass, genannt "Katzenstrick", im Winter zum Schlittenfahren und im Sommer als Ausgangspunkt zum Wandern. Immer war es leicht, das Auto gleich auf der Passhöhe zu parken, neben dem Weg hatte es genügend Platz. Von hier aus überblickte man das ganze Tal mit den Schwyzer Alpen in der Ferne, den Sihlsee links hinten, umrahmt von Wäldern und Wiesen unterhalb der hohen Felsspitzen und schliesslich das wunderschöne Dorf mit Kirche und Kloster Einsiedeln - ein Idyll der einzigartigen Art. Dann rasten wir mit den Schlitten den Bergweg hinunter, Hund Leon hinterher und beim Wiederaufstieg bestand er immer darauf, einen der Schlitten selbst an der Schnur ziehen zu dürfen, da war er gewaltig Stolz auf seine Leistung. Im Sommer noch konnte man verschiedene Windrichtungen wählen und verschieden gestaltete Landschaften: moorähnliche Ebenen oder den steilen Anstieg zu einem Bauernhaus und von da immer höher bis zu einer kleinen Anhöhe, wo das Bänklein bei einer einsamen Berghütte zum Verweilen und Bewundern der landschaftlichen Pracht weit unten und in der Ferne einlud.
Als ich im Winter 2001 wieder einmal dahin gehen wollte, war mein Erstaunen gross: Da, wo ich immer den Wagen hinstellen konnte, entstand in der Landschaft ein neues Einfamilienhaus. Alles rund ums Haus war privatisiert, die Landschaft gehörte hier nun dem neuen Besitzer dieses wunderschönen Aussichtspunktes. Weiter unter hat es bei einem Restaurant einen grossen Parkplatz, doch überall liest man: "Nur für Gäste". Da erinnerte ich mich, dass mir diese Situation in letzter Zeit immer häufiger begegnet ist: Überall, am See, bei Aussichtslagen, bei Wäldern, in schönen Ebenen, entstehen neue Häuser, ja ganze Siedlungen, die in Rekordzeit aus dem Boden gestampft werden und ganze Regionen privatisieren.
Kürzlich hörte ich, dass genau dieses Phänomen in Italien an einer Küste geschehen ist: Wenige Prachtvillen am Meer verbauten den Ortsbevölkerungen den Zugang zum Meer auf viele Kilometer Länge, und natürlich immer in Zonen, wo der Strand am schönsten war. Doch diesmal gingen die Betroffenen auf die Barrikaden, nämlich bis vor das höchste Gericht des Staates und dieses entschied, dass diese "Privatisierung der Landschaft" nicht rechtens sei und deshalb alle Villenbesitzer Wegrechte und Zugang zum Meeresstrand garantieren müssten. Dieses Gerichtsurteil könnte nicht nur wegweisend sein für ganz Italien, sondern für alle Länder dieser überzivilisierten und privatisierten Welt. Denn wirklich ist es so: Der Zugang zum Meer, zu Wäldern, Mooren, guten Berglagen, Auen, überhaupt zu vielen Landschaften wird immer mehr verbaut von vermögenden Personen, die Parzellen von Land aufkaufen und damit der Öffentlichkeit entziehen können. An allen Seen der Schweiz, für mich gut ersichtlich am Zürichsee, werden der allgemeinen Bevölkerung, also etwa 99 % der Anwohner, nur noch kleine Nischen am See gewährt, der Rest ist zu über 80 % nicht zugänglich, weil Privathäuser mit ihren Parks dort angesiedelt sind. Wiederholt wollte ich in der Linthebene parken, um von dort mit dem Fahrrad in der verkehrsfreien Ebene meine Runden zu drehen und stellte fest: Überall Verbote, überall sind Privatverbotstafeln vorzufinden, man dreht im Kreis und in der Verzweiflung stellt man das Auto schliesslich mitten in den Wald.
Natürlich kann man die Entwicklung auch positiv sehen: Man wird auf diese Weise immobiler und fährt deshalb vielleicht weniger Auto. Doch die Wahrheit ist viel profaner: Man benützt die Autobahnen immer mehr, überstellt ganze McDonald's-Raststätten und lässt die Natur und ihre wunderbaren Landschaften links liegen. Denn zu Fuss oder mit der Bahn sind die meisten Gebiete nicht erreichbar, schliesslich gilt es Distanzen zu überwinden und das sonst schon dichte Bahnnetz soll nicht noch dichter werden und noch mehr Landschaften, die man schützen sollte, fressen, nur zum Zwecke, dass man überall in die Natur hinaus wandern kann.
Deshalb sind wir wieder auf das Urproblem zurückgeworfen, auf die Tatsache, dass die Privatisierung durch Bodenbesitz von privilegierten Menschen zum Wahn der Selbstüberschätzung, dagegen dem Grossteil der Restbevölkerung zum Schaden und Minderung an Lebensqualität gerät. Wenn ersichtlich wird, dass das Geld die Welt erobert, dann ist dies weniger ersichtlich an den Börsen und den Riesenpaketen von Aktien, die Einzelne besitzen, sondern an der Umwandlung dieser Kapitalien in Lebensqualität für Einzelne zum Schaden der grossen Masse an unterprivilegierten Menschen, das heisst, an der absoluten Mehrheit der Weltbevölkerung. Und die Entwicklung geht nun rasend weiter: Ganze Wälder, Urwälder, Auenlandschaften, Küstenstriche werden dem Profit zuliebe oder wegen anderer, den Reichen Vorteile verschaffender Gründe entzogen: den Urvölkern, den Eingeborenen, den schwächeren und ärmeren Volksschichten, den Bewohnern der Städte und den Leuten, die jede Münze umkehren müssen, weil die Reichen mit ihren Entscheidungen ihre Arbeitsplätze wegrationalisiert haben, um den Börsenwert ihrer Aktien in den Himmel zu katapultieren. Es ist ein Diktat des Geldes und des Kapitalsystems, das sich allmählich jeder Kontrolle zu entziehen droht. Es sind konservative "Bush/Reagan/Thatcher-Menschen", die mit ihren Entscheidungen diese Entwicklung ins Unermessliche treiben. Mit der Abschaffung von Erbschaftssteuern, die selbst die Superreichen als Übertreibung und Schädigung am Sozialgedanken der Staaten geisseln, der Verunmöglichung, Kapitalgewinn auch zu versteuern, nicht nur die Erträge, die aus der Hände Arbeit kommen und die schliesslich gnadenlos an Sozialprogrammen und am Gesundheitswesen sparen, alles nur, damit die Reichen noch reicher werden und die Benachteiligten noch benachteiligter. Und die "Demokraten", also die benachteiligten Volksmassen, schauen dabei zu und wählen die Metzger selber, die sie als Kälber in die Schlachterei führen.
Doch eines Tages wird der "Mob" aus seiner Lethargie erwachen und sich bitter rächen für das erlittene Unrecht, angerichtet von den unersättlichen Reichen. Und diese sind es eigentlich, die die kommende Entwicklung heute schon erahnen und allmählich etwas vorsichtiger operieren, wenn sie den Hals nie voll kriegen, zu Gunsten der Erben riesige Vermögen weiterreichen, Vermögen, an denen Tausende von Arbeitsplätzen hängen, die dann das Lebenselixier der Nichtsnutze der High Society finanzieren, dieses Jetsets der dummen Art der Selbstbespiegelung und Verblödung des Alltäglichen, reiche Menschen, die im sogenannten Lifestyle-Betrieb der Schönen und Reichen ihre geistlose Befriedigung suchen und mit ihrem Reichtum in Farbillustrierten-Heften und Lifestyle-Magazinen des Privatfernsehens protzen. Und dann sind sie erstaunt, wenn in Seattle, in Davos oder vor dem Wiener Opernball die Post abgeht, Gegendemonstrationen der Hilflosigkeit losgetreten werden angesichts einer ekelerregenden Demonstration der Macht durch die Privilegierten dieser Welt. Sie werden noch erwachen, diese "Privilegierten", die am eigenen Reichtum ersticken und keinen nützlichen Gedanken mehr entwickeln können. Die Gestüte der Erbgesellschaft machen sich wichtig mit oberflächlichem Denken, dieses Denkgut greift über auf alle anderen Gesellschaftsschichten, es gilt als chic so zu tun, als ob man "dazu gehören" würde und dabei wird mit dieser Geisteshaltung der totalen Privatisierung der Welt nur der Niedergang einer Zivilisation vorbereitet und vielleicht - wie ich andernorts nachweise - eines Tages gar zum bitteren Ende geführt.