Aggressionstrieb im Aufwind

Der Aggressionstrieb - er wird als Endkonsequenz unserer Menschwerdung einen Automatismus der Selbstzerstörung erzeugen - wird von folgenden Instrumenten gesteuert und gefördert:

Sprache: Die Sprache in Zeitungen und Büchern ist entscheidend für die Wahrnehmung der Welt. Je mehr Gewalt und Grauen in die Zeitungen kommen, umso mehr wird diese Wahrnehmung negativ beeinflusst, denn das Denken ist die Akzeptanz der Gedankennormen seiner Zeit. Es ist naiv zu glauben, dass sogar schon Kleinkinder das Grauen relativieren können. Wenn nicht einmal die intelligentesten  Menschen klarsichtig genug sind, um einen Hitler oder einen Milosevic so frühzeitig zu durchschauen, dass kein selbstlaufender, zerstörerischer Machtmechanismus ausgelöst werden kann, wie sollen da durchschnittliche Medienkonsumenten den Durchblick und den Überblick über das Geschehen behalten?

Bilder: Heute wird die Vorstellung von der Welt mehr durch Bilder am Fernseher,  im Kino, über Photos in Werbung und Zeitung gebildet als über die Sprache. Das Lesen verkommt immer mehr zum Bildungswerkzeug von geistig Privilegierten, die das Gelesene richtig verstehen und interpretieren, das heisst, geistig in ein Gesamtwissen und Weltbild einordnen können. Deshalb wirkt das Zulassen von schlimmen Vorkommnissen in Bildern, zugänglich für alle und jede, sozusagen als Erziehungsprogramm für zukünftige Gräuel. Wir meinen, die Mitmenschen hätten ein Recht, alles was geschieht, zu sehen und darüber zu lesen. Wenn dies das Erziehungsprogramm für eine "aufgeklärte" Menschheit sein soll, dann müssen wir mit dem Resultat leben: eine abgebrühte, unsensible Menschenrasse, die in der Lage ist, selbst die schlimmsten Folter- und Kriegsgräuel zu "relativieren", was nichts anderes heisst, als sie nicht mehr in ihrer wahren Grössenordnung zur Kenntnis nehmen zu können.

Erziehung und geistige Beeinflussung: Die Erziehung geht dahin, dass wir in einer falsch verstandenen Toleranz allen Menschen alles zeigen, was auf diesem Erdball geschieht. Eine eigentliche Wertung wird nicht vorgenommen, denn die Medienmacher sind entweder zu höflich, politisch zu korrekt, oder boulevardesk zu gerissen, um das Geschehene und Gesehene zum wahren Stellenwert zu präsentieren, und zwar in positiver wie auch in negativer Hinsicht. Schlimme Taten und Vorkommnisse werden nie real gezeigt, zum Beispiel wie Menschen im Flugzeug echt verbrennen oder wie lange es dauert, bis ein Mensch zu Tode gefoltert worden ist. Dann wieder wird eine Banalität wie zum Beispiel das kunstvolle Mundblasen einer Praktikantin, so aufgebauscht, dass sich eine ganze Nation über einen unbedeutenden Quatsch wochenlang aufregen kann. In diesem Sinne ist bei richtiger Relativierung ein Flugzeugabsturz keine Katastrophe, sondern das Resultat des Menschenwahns, technische Werkzeuge in den bodenlosen Himmel zu senden. Doch diese Wahrheit wird kein Boulevardblatt und erst recht keine öffentliche Fernsehanstalt zum Besten geben, denn die politische und gesellschaftliche "Korrektheit" verbietet ganzheitliches, integrales Denken, um die Pietät der dem Wahnsinn verfallenen Menschen nicht zu verletzen. Vorfälle im Leben werden immer entweder verniedlicht oder aufgebauscht, indem zur Steigerung von Einschaltquoten oder Auflagen in Verblendung und falscher Betroffenheit gemacht wird, wo wahre Aufklärung über die Folgen unseres wissenschaftlichen Wahns angezeigt wäre.

Psyche: Es ist ohne Zweifel klar, dass unsere Psyche dadurch gesteuert wird, wie unsere Eltern, unsere Lehrer und die Gesellschaft als Ganzes zur Zeit der Lebensführung denken. Und wenn diese Öffentlichkeit immer oberflächlicher denkt und in falschen Grössenvergleichen, Wesentliches nicht mehr von Unwesentlichem unterscheiden kann, jeder Mensch gleichviel wiegt, egal ob er Gescheites oder Dummes zu sagen oder zu schreiben hat, wenn diese Gleichmacherei des Denkens auf tiefstmöglichem Niveau voranschreitet, ja dann können wir von der Entwicklung der Psyche kommender Generationen nur noch das Schlimmste erwarten.

Konsequenzen der Aggressionsförderung

Der Tag ist nicht weit, wo Menschen vor laufenden Kameras langsam zu Tode gefoltert werden, weil dies als Menschenrecht für eine orientierungslos gewordene Gesellschaft gilt und die Perversion des Denkens immer mehr überhand genommen hat. Diesen Zustand haben wir bereits eingeläutet mit Sendungen wie "Big Brother", "Robinson", Befindlichkeitsrunden, Tagesmorden und Alltagsgeschehnissen der niedrigsten Art, Serien über fiktive und echte Serienmörder, Live Shows mit echten und unechten Freaks. Die Produktion von Scheinwelten - durch zu wählende Politiker, Wirtschaftsmagnaten, die der Welt das Geldverdienen im anerkanntesten Casino der Welt, der Börse, schmackhaft machen und vieles mehr - führt nur noch zu einem: der Endlösung eines planetaren Holocausts, wo alles erlaubt ist, wenn es Geld bringt und die Medien ein auf immer Extremeres geiles Publikum befriedigen müssen. Man wird es nicht mehr wagen, diesen wogenden Mehrheiten, die das Denken vollends verlernt haben werden, noch nützliche Gedanken präsentieren zu wollen. In diesem Sinne ist dann jede gescheite Philosophie der Vergangenheit und der Gegenwart ein Verbrechen. Orwell hat es vorausgesagt, es eventuell als Vorwarnung, vielleicht als spekulativen Witz gemeint. Doch er hat die Menschheit und ihre Intelligenz überschätzt: Wir sind bereits heute weiter als Orwell je hätte denken mögen, ohne die Veränderung des Denkens selbst bemerkt zu haben.

Wege aus der Aggressionswirkung

Die Endlösung der gemeinen Denkart kannte man schon bei den Gladiatorenkämpfen im alten Rom. Sie kann nur vermieden werden, wenn wieder gescheite und nützliche Gedanken die Priorität bei der Verbreitung von Nachrichten in Radio- und Fernsehsendungen, Zeitungen, Büchern, Filmen, im täglichen Gespräch zurückgewinnen können. Wir alle kennen den Effekt nur schon eines Filmes: Wir kommen aus dem Kino, haben einen sehr feinfühligen Film gesehen und schon fühlen wir uns bereit, uns so zu verhalten, dass die Welt freundlicher und weniger menschenverachtend wird. Ganz anders nach einem gewalttätigen, brutalen Film: Wir kommen voller Aggressionen aus dem Haus, nur schon ein schiefer Blick kann dazu führen, dass man Streit sucht und dreinschlägt. Wir sehen bei diesem Verhalten in die Abgründe unserer eigenen Psyche, unsere Vorstellung von unserem ethischen Spiegelbild wird in Frage gestellt, was unsere Widerstandkraft gegenüber Low Thinking immer mehr erodieren lässt. Wer immer mit geistigem Schrott und Gewalttaten konfrontiert wird, kann je nach Widerstandsvermögen früher oder später nicht anders, als selbst Gräueltaten zu vollbringen. Der Drang, solche Filme oder Videobänder mit grauenhaften Vorkommnissen konsumieren zu müssen, ist allein schon Beweis für die Theorie, dass Gewaltkonsum zu Gewaltverhalten führt und dass eine bessere Realität für eine Zukunftsmenschheit nur erreicht wird über das Zuführen besserer und menschlicherer Gedankenwelten.

Eine "Alles-geht"-Zukunft ist das Letzte, was die Menschheit braucht. Wir müssen unsere geistigen Ressourcen wieder unter Kontrolle bringen, bevor die oben erwähnten Szenarien des planetaren Holocaust in die Tat umgesetzt sein werden und alles ausser Kontrolle gerät und jeder glaubt, jeden abschlachten zu müssen, um nicht selbst abgeschlachtet zu werden.