EXIT

Unter diesem Titel kommen nun Gedanken, die mit dem eigentlichen Anliegen, der Welt den Spiegel vorzuhalten und diesen Nachweis geistig auch auszuhalten, nichts zu tun haben. Es geht vielmehr um die Befindlichkeit des Autors selbst. Nicht in dem Sinne, dass er EXIT will, also sich mit Selbstmordgedanken quält - das tut eigentlich jeder Mensch im Stillen bewusst oder unbewusst - sondern in einem Sinne, der diesen Gedankenstrang des EXIT wirklich interessant macht. Es geht also nicht um meinen eigenen EXIT, sondern um jenen von Menschen, die tüchtig an der Turbine der EXIT-Spirale für die gesamte Menschheit gedreht haben. Irgendwie lässt mich der Gedanke nie los, wie alles geschehen konnte, ohne dass die Geistesführer dieser Welt, die Philosophen, die Nobelpreisträger, die Wirtschaftsführer und die Politgrössen, ja die gesamte Wissenschaft und universitäre Welt je verstehen konnten, in welche Wahnsinnsvernichtungsmaschinerie sie damit alle geraten sind. Die Grösse der Schuld ist in solchem Ausmass immens, dass sie sich keine denkender Mensch wirklich vorstellen kann. Denkende Menschen? Gibt es das überhaupt? Dieser Gedanke ist der Auslöser zu Vorstellungen der absoluten Macht, gefolgt - zum Glück - von einer sofortigen Relativierung des Gedankens. Doch das Denkexperiment ist zu toll, als dass ich das Thema jetzt einfach vergessen würde.

Also, der Grössenwahn der Entwicklung eines Themas beginnt nun und alle seien davor gewarnt: Ich stelle mir vor, was ich tun würde, wenn ich wider Erwarten die absolute Macht über Menschen auf diesem Planeten bekäme. Wenn sehr dumme Leute wie Hitler, Reagan, Bush und andere Minderbemittelte des Geistes soviel Macht bekommen haben, ist es nicht einzusehen, warum nicht endlich ein Mensch, der echte soziale Anliegen hat und aus ethischem Grundverlangen handelt, ebenfalls einmal auf demokratischem Wege ein Zipfelchen der Macht oder gar die Allmacht auf dem Planeten erhalten sollte. Ich bin kein Machtmensch, doch der intellektuelle Wunsch, mir vorzustellen, was ich tun würde, wäre ich dieser Machtmensch, der absolute Diktator dieser Welt, dieser Vorstellung gilt es - in einem Gedankenexperiment - für einmal nachzugeben.

Die Verbrechen an der Menschheit in der Vergangenheit und fortgeführt, immer stärker, mit immer noch grösseren Mitteln der Aushebelung aller Kontrollmechanismen, bis heute, sind bezüglich ihrer desaströsen Wirkung auf die Zukunft aller Menschen so gigantisch, dass ich als Diktator die Verbrecher eruieren, dingfest machen und verurteilen lassen würde und dann - EXIT; die Todesspritze nach Sterbehilfeart , also ganz sanfte Hinausbeförderung aus dieser Welt, die einzige humane Art, diese Art von Verbrecher der höchsten Kategorie vom Erdball zu verbannen. Jetzt nur nicht aufregen, lieber Leser im Jahr 2001, da ich dies schreibe, eine Aufregung basierend auf einer selbsterzeugten politischen Korrektheit des Gutmenschentums, des Bewunderns der Täter und der Missachtung der Opfer, dieser geistige Wahnsinn, der in etwa fünfzig Jahren belächelt wird. Denn irgendeinmal wird man relativieren müssen, welches nur Wortverbrechen sind an den richtigen Opfern, eben jene Opfer, die vorher die grossen Täter waren, und welches die Verbrechen sind, die zur Selbstvernichtung hinführten. Also, alle grossen Täter, Nobelpreisträger, Wissenschaftler, Wirtschaftsmanager und Politiker, die nachweislich an der Schraube der "Verwahnisierung" der Menschheit im Techno- und Wissenschaftsrausch der alle Grenzen sprengenden Selbstvernichtungs-Maschine gedreht haben, gehören verhaftet, alle die Thatchers und Reagans und Neoliberalisierer, die Schwätzer eines Wachstums- und Fortschrittsglaubens, der stupiden Selbstvernichtung allen "Zuviels"; zuviel Verkehr, Energie, Ressourcenverschleiss, Medienverblödung, Macht in falschen Händen, eine Endlosliste der Selbstverdummung der Menschheit durch die falschen Mächtigen. Diesen falschen Mächtigen macht nun dieser Diktator ein Ende in seiner Phantasie: EXIT. Natürlich weiss dieser gescheite Diktator genau das, was die dummen Stalins, Napoleons, Cäsars, Reagans und Hitlers aufgrund ihrer beschränkten Geistesgaben nicht wissen konnten: Wer in dieser Art Macht ausleben will, führt die Welt in eine Gesellschaft, wie sie von Orwell, Huxley, Lem und vielen anderen Zukunftssichtigen beschrieben worden ist, denn das Grauen der Vernichtung der Täter führt fast automatisch dazu, dass neue Täter - über die unser geistig hochstehende Diktator mit Sicherheit die Kontrolle verlieren wird - entstehen, die fürchterlicher sind als die vorherigen. Man hat dies bei der französischen Revolution gesehen und eigentlich bei allen Revolutionen der Welt, insbesondere auch bei der Umsetzung der Theorien von Marx im Kommunismus und seiner Entwicklung hin zum Stalinismus (China hingegen blieb bis zur Einführung kapitalistischer Systeme seltsam normal, die Menschenrechtsfrage - die andernorts auch nicht besser ist, liebe USA, Nation der grössten Heuchler der Welt und Schullehrer vieler Menschenschänder - einmal ausgenommen).

Wenn schon der Besitzer des Hirns, der in unglaublich komplizierten Netzwerken noch logisch denken und den Überblick bewahren kann, nicht verstanden wird, auch weil er nicht die Fähigkeit besitzt, dieses Geistesgebäude so in Sprache umzuwandeln, dass er verstanden wird, sicher ist: Dieser Mensch wird von möglichen Anhängern seiner Philosophie immer missverstanden werden. Es war immer so: All jene, die die Gedanken von Geistesgrössen aufgrund anderer Macht als jener des Geistes umsetzten, in Form von Kernkraftwerken, Autos, Flugzeugen, Atomwaffen, genmanipulierten Menschen usw., waren und sind immer viel dümmer, naiver, dreister, geldgieriger und machthungriger als jene Genies, die die Anwendung von Macht erst erlaubten. Und so ist es leider auch mit diesem Buch "CHAOS". Wenn die Verleger die Hände vom Manuskript lassen und den Scheiss zurück senden, so nicht deshalb, weil sie nichts begriffen haben vom Text, sondern weil sie die Konsequenzen erahnen könnten von dem, was passiert, wenn sie begreifen, was sie da lesen. Doch nun kommt die alles wieder gutmachende Relativierung (also Verleger, ran an die Publikation): Menschen mit dem absoluten Durchblick, jene die fähig sind, universell alle möglichen Wissensgebiete zu verstehen und so miteinander in Beziehung zu setzen, dass eine Gesamtheit von Erkennen erst möglich wird, solche Genies sind wie Kinder, unfähig zur Machtausübung und diese Unfähigkeit ist mindestens so gross wie ihre Naivität. Denn in Umkehrung des im obigen Abschnitt Geschriebenen verhält es sich im wahren Leben so: Dieses Genie ist total geblendet, nicht vom eigenen Geist, ganz im Gegenteil, er ist geblendet von der Naivität, dass alle Menschen auf diesem Planeten genau so denken können wie er selbst, dass sich das alltägliche Denken von sechs Milliarden Menschen im Rahmen seiner eigenen Denkkraft und Denkvorgänge abspielen würde. Er sieht alles als absolut einfach zu verstehen an, nichts an seinem Gedankengebäude scheint ihm wirklich geheimnisvoll und schwer verständlich. Er ist absolut davon überzeugt, dass die Menschen, die seine Schriften lesen, genau in seinen Normen denken und alles so umsetzen würden, wie er sich dies vorstellt. Diese Meinung ist es, die die Naivität von Einstein, Keppler, Galilei, Da Vinci, Newton, Marx und aller Philosophen und aller Wissenschaftler, sofern sie echte Genies und trotzdem Kind geblieben sind, ausmacht, diese gewaltige Vorstellung, dass die eigene Vorstellungswelt nicht einzigartig sei, sondern der geistigen Machtfülle jedes einzelnen Menschen entspreche.

Eine meiner Lebenserfahrungen: Je dümmer ein Mensch ist, desto mehr Verachtung hegt er für Affen, Hunde und andere Tiere, die er weit "unter sich" wähnt, wobei erst jetzt wissenschaftlich erkannt wird, nach der Auflösung des Genom-Geheimnisses, wie klein der Unterschied im genetischen Bereich zwischen einer Fliege und einem Menschen ist. Nur im geistigen Bereich, in der Frage, was ein Mensch oder ein Tier mit seinem Hirn bereit ist zu tun, in welchem Ausmass er die unbeschränkten Reserven des Denkens anzapfen will und kann, in diesem Bereich sind die Unterschiede riesig. Und genau dies muss das Genie erkennen, sonst driftet es in grössenwahnsinnige Vorstellungswelten ab. Und sie tun dies immer, die Genies, in den Wahnsinn abdriften, denn ihr Verbrechen ist folgendes: Sie schaffen den geistig Minderbemittelten die Möglichkeit, in irreale Vorstellungswelten der Machbarkeit vorzudringen und sich vereinfachende Lebenswelten zu bilden aufgrund der beschränkten geistigen Fähigkeiten jener, die wirklich Macht ausüben können, eben der Industriellen, der Politiker, der Militärköpfe, der Börsenverrückten, all jener, die keinen Gedanken der tiefen Art je besitzen werden. Diese werden so zu den Verbrechern an der Menschheit aufgrund einer echten Naivität des Wissens und der Schaffung einer Voraussetzung für eine Macht, die sogar demokratisch vergeben wird an die Falschen, jene, die Macht wollen und sie auch bekommen.

Man sieht, wohin Gedanken führen, die aufzeigen, in welcher Ohnmacht der denkende Mensch sich befindet, im Namen all jener Wenigen, die noch universell zu denken und den alltäglichen Wahnsinn zu durchschauen vermögen. Das Zepter führen unangefochten die machtgierigen Dummen dieser Welt, sie regieren über machtlose Dumme. Und jene, die den ganzen Wahnsinn durchschauen, sind ohnmächtig am Rande des Geschehens zurück gelassen worden, denn die Massen interessieren sich nur für Geld, Unterhaltung, Sex, Werbung, schnellen Verkehr, Macht der Technik, Ausstieg aus dem Geschehen über den Fanatismus des Glaubens, Fundamentalismus, Esoterik, Astrologie, Horoskop, Glückspiele, Boulevard-Medienzirkus, Gladiatoren der modernen Art, Sportgrössen ohne Hirn, Kulturschaffende ohne echte Kultur, Schriftsteller der Eigenschau des Nebensächlichen, der Gefühligkeit und der falschen Betroffenheit - all der Wahnsinn, der mit dem ersten Ton aus dem Radio zu Beginn des Tages bis zum letzten Ton sprich Wort aus dem Fernsehen oder der Tageszeitung am Ende des Tages zur Endlosschlaufe der Selbstverblödung und Selbstvernichtung wird. Und dies geschieht auch, weil sich die Universalgenies endgültig arrangiert haben mit den bestehenden Verhältnissen, dem Kapital, der Politmacht und der bösen Macht alles Machbaren am Ende der Ressourcen, der materiellen und der geistigen Ressourcen dieser Welt.

Nun ist leider kein schönes EXIT geworden aus dieser Geschichte und somit mache ich, was ich immer mache: einen Schluss finden, der auch den Autor befriedigen kann. Ich schaue aus dem Fenster auf einen grossen See, eine intakte Natur, die Weite des Himmels, im Privileg eines schönen Hauses mit Blick auf unüberbaubare Horizonte, die den Geist wie von selbst öffnen. Ich erfreue mich an den ersten Blümchen, die aus dem Boden spriessen, an den Fischen, die im Teich langsam aus dem Winterschlaf erwachen und am Hund, der sich auf dem Boden wälzt und an allem schnuppert, das ihm im Zickzack vor die Pfoten kommt und eben jetzt zum Balkon hochschaut, weil er die Beobachtung wittert und nun freundlich grinst, wild wedelt und die Kurven zum Balkon hoch beinah nicht schafft. Ein Beruf, der die materiellen Sorgen nimmt, ein Beruf, der weitere Bogen des Wissens schafft als jede andere Profession dieser Welt. Eigentlich ein paradiesischer Zustand und wenn der Autor an Gott glauben könnte, wäre er sich bewusst, wem er diese Gnade des Seins und des Denkens verdankt.

Ich bin Atheist reinster Prägung, denn für einen echten Gottesglauben fehlt mir die Naivität einer realen Gottesvorstellung. Hier kommt mir die Intelligenz in den Weg. Das Bild eines wahren Gottes entfernt sich immer weiter, je universeller man denken kann. Doch irgendwie schaffe ich es nicht, mich von einer immens grossen Macht draussen im Weltall zu lösen. Meine eigene Persönlichkeit - wie alle Persönlichkeiten in jedem Menschen auf diesem Trabanten - ist dermassen schwach, dass wir es in dieser realen Wahnsinnswelt nicht mehr schaffen, ohne ein Gefühl des Glaubens an etwas ganz Grosses, das uns das tägliche Leben erst ermöglicht, zu leben. Und so bin ich eingebettet in die Eckpfeiler eines Glaubens an ein Über-Ich der reellen Art, der Möglichkeit, Gutes zu tun im Schreiben meiner Gedanken, das paradiesische Sein meiner Alltagswelt zu geniessen mit Sport, Musik, spazieren mit Hund, lesen, denken, philosophieren - und dabei trotz meiner Bedenken im geistigen Prozess des Erkennens ein glücklicher Mensch zu bleiben. Man sieht also: Auch ein an der Menschheit verzweifelnder Mensch kann und darf glücklich sein. Ich hoffe nur, dass er dies auch verdient. Die Nachwelt wird es ihm eines Tages, vor oder nach seinem Tod, bestätigen. EXIT.