Fragwürdigkeiten

Es ist Weihnachtszeit und wieder einmal sind alle Fernsehstationen damit beschäftigt, "wissenschaftlich" nachweisen zu lassen, dass Jesus, also Gottes Sohn, gelebt hat und tatsächlich alles bibelgerecht zugegangen sein muss. Ich lehne jeden Versuch ab, einen Sohn von Gott als wissenschaftlichen Nachweis gelten zu lassen, denn diese Frage ist nicht eine solche des Glaubens, der Wissenschaft, der Religion oder der Ethik, sondern allein eine der Logik.

Wir wissen nicht, wie ich früher darlegte, was oder wer Gott ist und schon dichten wir ihm sogar einen Sohn an. Dieser Denkansatz entspringt primitivem menschlichem Wunschdenken, dass Gott so sei wie wir selber und uns der Einfachheit halber einen Sohn mit menschlichem Antlitz brachte, um seine Existenz besser nachvollziehen und die Menschenähnlichkeit Gottes abfeiern zu können. Einmal abgesehen davon, dass Gott nur ein gigantisches Elektronengehirn sein kann oder die Natur selbst und selbst ein Klonen von Gott noch keinen Sohn entwickeln könnte, ist der Glaubenssatz, dass er sich sozusagen fortpflanzt in menschlicher Form, absolut absurd, antireligiös und unendlich anmassend. Der katholische Glauben entwickelte einen Kult um die Maria, um Jesus, und weil dies alles so boulevardesk daher kommt, lässt  es sich eben besser vermarkten, denn es galt Sinnbilder zu schaffen, die wir nachvollziehen können und die uns unendlich näher stehen als Gott selbst. Zum Glück haben alle anderen Religionen dem Versuch widerstanden, ebenfalls in diese Idiotenfalle des Denkens zu stürzen und belassen uns mit dem einen Gott ihrer Religion, an den man glauben kann oder auch nicht, was umso leichter fällt, als man auf die Gestaltung eines "Gesichts" der Götter in sämtlichen Religionen dieser Welt zum Glück verzichtete. Gott ist somit nicht darstellbar. Deshalb lässt sich Gott nicht mit Vernunft oder Logik nachweisen, sondern es bleibt nur ein nebelhafter Glaube an das Unbekannte, das wir mangels anderer Ausdrücke dann eben mit "Gott" benennen.

Warum die Menschen überhaupt einen Gott brauchen, habe ich andernorts dargelegt. Es lebt sich einfach bequemer, wenn man in seiner Not eine Überinstanz anrufen kann und jemanden kennt, der uns die Sorgen, leider aber auch sämtliche Verantwortlichkeiten dieser Welt abnimmt. Und so ist es müssig, uns einen Sohn Gottes zu denken. Jesus war einfach ein guter Mensch, der über seinen eigenen Nasenspitz hinausdachte, andere provozierte und deshalb verfolgt worden ist. Solche Menschen gibt es zu Millionen, ich selbst bin einer. Also, die Absicht, gute Sprüche zu verbreiten und eine Glaubensgemeinde bilden zu wollen, ist noch lange kein Beweis für die Existenz eines Sohnes des Höchsten, was wir haben, des Unbekannten, Ewigen, Unendlichen. Und somit entfällt für uns leider auch der einzig Verantwortliche für unser Tun, unser Elend, unsere in Kriegen Getöteten, unsere Gefolterten, unsere Vernachlässigten, unsere Hungernden, unsere Mörder. Wahrlich kein sehr lieber Gott, unser Gott. Doch er hat ja, wie wir alle wissen, diese Verantwortung seiner eigenen Schöpfung weit von sich gewiesen und will uns nur prüfen, ob wir von selbst darauf kommen, dass alle  Menschheitstaten und -verbrechen seit Anbeginn unserer Art nicht viel bringen. Wer anders logisch denken mag, landet bei einem Gott, der nicht mehr ist als Harry Potter und Lord of the Ring in einem Aufguss.

Wenn die Bibel nicht selbst zum Teil wunderschöne philosophische Gedanken verbreiten würde, wäre sie inhaltlich kaum von diesen neuen Schöpfungen der Fantasy-Literatur zu unterscheiden. Doch zu unserem Wohlgefallen verbreitet dieses Buch nicht nur Märchengeschichtchen der einfach gestrickten Denkart, sondern eben auch Glaubenssätze, die zu befolgen der Menschheit schon immer gut angestanden hätte. Wer einfacher denken will, landet bei folgender Anmassung: "Ich selbst glaube an Gott und habe ihm auch prompt den Auftrag gegeben, für mein Buch zu trommeln, mir eine Lesergemeinde zur Verfügung zu stellen, einen Riesenerfolg vom Zaun zu brechen, dafür zu sorgen, dass ich den Nobelpreis der Literatur oder zumindest den Nobelpreis für Philosophie oder wenigstens für höheren Blödsinn bekommen würde, allein schon deshalb, um die Gelegenheit zu bekommen, diesen Preis zum Verdutzen aller zurückweisen zu können. Doch was muss ich da sehen, Gott? Du lehnst es ab, meinen Wünschen nachzukommen? Ja, wohin geht denn diese Welt, wenn ich mich nicht mehr auf Dich, Du Göttlicher, verlassen kann? Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Ich flehe Dich an, erfülle meine Wünsche, sonst verdamme ich Dich. Ah, jetzt zitterst Du aber, das habe ich nicht gewollt. Doch wenn Du mir zu Willen bist und mir den Nobelpreis für irgendwas bringst, dann bete ich Dich an für den Rest meines Lebens und bin sogar gewillt, zu Deiner Rechten zu sitzen, unter der Bedingung, dass Du die Million Hohlköpfe, die bereits zu Deiner Rechten Platz genommen haben, in die Wüste schickst, als Söhne Gottes in alle Planetensysteme aller Galaxien dieser Welt, damit sie von Deinem Wort künden. Dann haben wir endlich Zeit, zu philosophieren und darüber nachzudenken, ob es Dich überhaupt gibt. Schön brav, lieber Gott, kusch, fuss, sitz, platz, brav, brav." So wollten wir Gott, etwas näher bei ihm wollten wir sein - und erfanden dann den menschlichen Gott, Jesus, unterstützt von einer Drei-Einfaltigkeit. Der Skandal ist, dass wir zweitausend Jahre nach Entstehung dieser Mär immer noch daran glauben, dass das Undenkbare, Unvernünftige, Unlogische seinen Platz in unserer Gesellschaft behalten kann, stur und blöd, ohne jede Selbstreflexion.

Wenn wir nicht endlich zu Menschen werden, die diesen Namen verdienen, also zum höchst entwickelten Wesen, das die Natur der Erde, der eigentliche Gott unseres Seins, auf der Erde je entstehen liess, um hier sein Unwesen zu treiben, dann müssen wir aufhören zu glauben, dass ein solches Wesen mit derart beschränkten Ansichten zum Sein es verdienen würde,  einen Gott zu haben, der weit über ihm steht und trotzdem durchschaubar ist. Die Frage nach dem Sohn (oder Tochter, ist ja typisch, dass ein solch tiefes Wesen wie ein Weib nicht auch noch Gott spielen darf) würde sich damit endgültig erübrigen. Doch der Tag des Erwachens über unser Sein und der Einstufung respektive Gewichtung unserer Existenz, über den Wert des Denkens und Nachdenkens, über die Existenz eines Gottes oder die Wahrscheinlichkeit seiner Fortpflanzung wird erst kommen, wenn wir mit allem Latein am Ende sein werden.