Schon immer gab es in der Geschichte Machtverhältnisse, die eine ungetrübte Wahrnehmung auf die tatsächlichen politischen und geschichtlichen Verhältnisse nicht zuliessen. Immer wenn eine grosse Weltmacht das Sagen hatte, zählten andere Völker fast nichts: Das Alte Rom, das Perserreich, die Machtgebiete unter Karl dem Grossen im Mittelalter, Frankreich unter Napoleon, das Habsburgische Reich, das Weltimperium Grossbritanniens, das Hitler-Deutschland, das Prachtpaar der verflossenen Sowjetunion und der noch heute allmächtigen USA, als letzte uns bedrohende Weltmacht. Es fällt zwar nicht sofort auf, doch an einigen Beispielen kann man erkennen, dass die USA heute in militärischen, politischen, ökonomischen, ökologischen und somit auch in geschichtlichen Dimensionen der ganzen Welt den Tarif durchgeben. Zuerst wurde das riesige Sowjetreich wirtschaftlich und militärisch in die Knie gezwungen, dann wurde der ganzen Welt das neoliberale Kapitalsystem aufgezwungen, und zwar genau in der verblendeten gierigen Sichtweise der grossen USA und ihrer Politiker und Wirtschaftsgiganten. Sogar Russland und China mussten diesen Weg nehmen, um keinen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden. Militaristisch zittert heute die ganze Welt nur noch vor einer Weltmacht, den USA. Dieser Staat kann und könnte in Zukunft der ganzen Welt diktieren, wie sie sich zu benehmen hat und wohin die zur Neige gehenden Rohstoffe und alle Rest-Ressourcen zu fliessen haben. Auch im Kleinen zeigt sich diese Allmacht: Israel hätte keine Chance gegen die Araber und deren Willen, den Palästinensern wieder ihre Heimatrechte zurückzugeben. Afghanistan wäre nicht von den Russen unter hohen Menschenverlusten "befreit" worden mit den Folgen, die man heute kennt, und viele Militär- und Rechtsdiktaturen wären seit 1950 nicht an der Macht geblieben und hätten Volksschänderei betreiben können am eigenen Volk ohne den antikommunistischen Wahn der USA und ihrer Politik.
Damit diese Betrachtung nicht einseitig wird, sind die guten Taten dieser immer machtgieriger werdenden Nation, zum Beispiel das Niederkämpfen von Hitler-Deutschland (im Kampf vereint mit der später im Wettstreit der Systeme bekriegten Sowjetunion), der ideologisch nicht ganz unproblematische Marshall-Plan zu Gunsten einer geschwächten Kriegsführernation ebenso wenig unerwähnt zu lassen wie das Garantieren berechtigter Schutzbedürfnisse zu Gunsten verschiedener Völker, wie dasjenige der Israeli, der Kurden, Kuwaiter, Kosovo-Albaner oder Bosnier, auch wenn gesagt werden sollte, dass immer wieder politische oder wirtschaftliche Egoismen die Basis solcher Aktionen bildeten. Hier hat die hohe Ethik der USA befriedend gewirkt und eine viel höhere Zahl an unschuldigen Menschenopfern zu vermeiden gewusst. Doch rechnen wir endlich die Verbrechen der USA auf gegen diese guten Handlungen. Hören wir endlich auf mit einer Geschichtsverklärung und -verfälschung, wie es sie in diesem Ausmass noch nie gegeben hat seit Menschengedenken.
Es gilt als gesichert, dass unter Hitler die grössten Verbrechen an der Menschheit begangen worden sind (Stichworte: Angriffskriege, Holocaust, politische Täuschung von Freund und Feind), knapp gefolgt von den Verbrechen von Stalin am eigenen Volk und der Japaner zu Beginn des Jahrhunderts in China und umliegenden Staaten und schliesslich das Faktum unvorstellbarer Todesschmerzen, die an Hunderttausenden von Opfern während Jahrhunderten durch den Hexenwahn des christlichen Papsttums im Religionsrausch erzeugt worden sind. Eine solche Betrachtung geht jedoch davon aus, Menschen nicht als gleichwertig zu sehen. Ein toter Jude wiegt eben nicht gleich viel wie ein toter Palästinenser. Ein im Kampf gefallener Amerikaner wiegt tausend Mal so viel wie die zerbombten und sogar von einer gewollten Umweltkatastrophe betroffenen Einzelopfer in Vietnam, jeder Amerikaner wiegt ungleich viel mehr als in Bürgerkriegen getötete und zu Tode gefolterte Afrikaner, Mittelamerikaner, Chilenen, Argentinier und viele andere mehr, die nur getötet und gefoltert werden konnten, weil die USA gegen den Kommunismus während Jahrzehnten gnadenlosen Krieg geführt haben und jedes antikommunistische Schreckensregime unterstützten oder sogar zu Gräueltaten anstiessen, wo sie nur konnten.
Diese schreckliche Wahrheit wird nicht in richtigen Ellen gemessen, angesichts einer als doch dermassen lieb wahrgenommenen Nation USA. Diese kultivierten Menschen, die soviel für die Welt getan haben im Zweiten Weltkrieg, können und dürfen nicht als Angehörige einer Verbrechernation entlarvt werden. Da würden zu viele Illusionen zerstört, zu viele Masken fallen und falsch verstandene Solidaritäten zusammenbrechen. Drehen wir doch endlich das Licht voll an: In der Sowjetunion geschahen Verbrechen am eigenen Volk nicht, weil Stalin dieses Volk tatsächlich vernichten wollte. Er hatte idiotische, gigantomanische Pläne bezüglich der "Gesundung" der Volkswirtschaft und siedelte Millionen um, und während dieser Zeit - auch bedingt durch die grossen naturbedingten Katastrophen in der Zeit dieser Umsiedlungen - kamen Millionen vor Erschöpfung, Hunger und Durst um. Eine weit geringere Zahl von Sowjetmenschen wurde Opfer des eigenen Staatssicherheitsdienstes, wobei die Zahlen heute noch rein spekulativ sind und variieren, je nachdem, von welcher politischen Seite sie vorgebracht werden. Diese Verbrechen eines kommunistischen Regimes sind alles andere als ein Ruhmesblatt für das vergangene Gross-Russland und seine "Helden", doch die interessante Frage ist hier einzig und allein diejenige der Natur der Verursachung, die Begründung und schliesslich die Grösse der Auswirkung von kriminellen Taten von ganzen Staaten im Zwanzigsten Jahrhundert.
Im Hitler-Deutschland begann aufgrund eines virulenten Rassenhasses gegen Juden in ganz Europa, aber auch in anderen Staaten der Welt, der Fisch vom Kopf her zu stinken. Das Hauptverbrechen der Deutschen ist es, dass die Volksmassen mit dem Schreckensregime mitgelaufen sind und diese Verbrechen an den Juden nicht bekämpften, sondern sie einfach hinnahmen und einige Prozente der Bevölkerung sogar aktiv die Judenvernichtung betrieben. Eine historische Schande ungeheuren Ausmasses für Deutschland und noch in keiner Weise gesühnt. Solche Verbrechen können überhaupt nie im richtigen Ausmass gesühnt und vergessen werden. "Gnade der späten Geburt"? Unsinn. Kein Volk kann freigesprochen werden von Untaten, die ihre Vorfahren an anderen Völkern begangen haben. Nur verarbeiten und vergeben kann die Welt angesichts der Tradition ungeheurer Verbrechen an der Menschheit in allen Ländern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, denn die Menschheit hat überall die gleichen Defekte. Doch ein Vergessen darf es in geschichtlicher, aber auch philosophischer Hinsicht nie geben.
Sühne heisst nicht, den nachgeborenen Juden jeden religiösen Fanatismus nachzusehen auf Kosten eines anderen Volkes, das mindestens die gleichen Staatsrechte haben sollte wie diese neu angesiedelten Juden. Hier müssen die Israeli an den gleichen Massstäben gemessen werden wie alle anderen Völker, bevor die Verbrechen ein Ausmass erreichen, entweder von Seiten der Israeli oder der Araber, das einem Vergleich mit den Dramen des 20. Jahrhunderts standhalten könnte. Verbrechen von Staaten können nie gegen andere Verbrechen von anderen Staaten aufgerechnet werden, zu welcher Zeit auch immer diese geschehen sind. Sonst geschehen noch Tausende "Jugoslawien" und schliesslich zerbricht jede Hoffnung auf eine weniger schreckliche Staatenwelt der Zukunft. Die Heuchelei des Jahrhunderts, um die es hier geht, wird begreiflich gemacht, wenn wir endlich erkennen, was im 20. Jahrhundert vorgefallen ist, wenn die Heere der USA in ein fremdes Land eindrangen und über dieses Land mehr Bombenvernichtung verordneten, als über ganz Europa während des Zweiten Weltkrieges an Verbombung zugelassen worden ist. Erinnern wir uns: Am Nürnberger Prozess wurde das Wort vom "Angriffskrieg als schlimmstes Verbrechen der Menschheit" kolportiert. Mit diesem Bild vor Augen - das die Amerikaner beim Angriffskrieg der Nazideutschen noch so gerne und auch sehr zu recht malten - werden deren spätere Staatsverbrechen erst so richtig ins wahre Licht gerückt: Es wurden etwa drei Millionen Vietnamesen infolge eines Angriffskrieges der USA vernichtet. Bei etwa 60'000 getöteten Amerikanern in Vietnam haben diese also pro gefallenen US-Soldat 50 Mal mehr Vietnamesen umgebracht und die meisten von ihnen waren erst noch Zivilisten. Und dies wohlverstanden im angegriffenen Staat Vietnam, denn es waren nicht die Vietnamesen, die in die USA einmarschiert sind und diesen Wahn mit einem fünfzigfachen Blutzoll bezahlt hätten.
Das Schema Vietnam liesse sich im geschichtlichen Rückblick über die letzten fünfzig Jahre ohne weiteres auch auf andere Staaten übertragen, wo aus ideologischen Gründen direkt oder indirekt enorme Zahlen an Opfern provoziert wurden. Doch der wirkliche Skandal, um den es in dieser Studie geht, ist der folgende, und damit kommen wir zum eigentlichen Kernargument: Es ist ganz offensichtlich so, dass in den Medien und im Denken des Alltags heute eine Realitätsverfremdung vor sich geht: Erst wenn in den USA oder in Europa Menschen sterben, sterben wirklich Menschen. Vietnamesen, Afrikaner, Asiaten, sogar Chilenen und Argentinier, die durch Mithilfe der USA sterben, zählen nicht mehr als gewöhnliches Vieh oder Sachen, denn vor dem Recht wird kein Unterschied gemacht zwischen Tieren und Sachen. Es ist eine Beleidigung an die Denkfähigkeit der Weltbevölkerung, wenn dieses Missverhältnis von Eins zu Tausend oder gar Eins zu einer Million einfach hingenommen wird. Was berechtigt die Nordamerikaner und die Europäer, sich als geweihte Rasse zu sehen, deren Einzelleben unendlich viel wertvoller sein sollen als diejenigen in jeder anderen beliebigen Nation in Afrika, Südafrika oder Asien?
Bezüglich der Dramen in Vietnam, Korea und vielen Rechtsdiktaturen der Welt wird die Geschichte des 20. Jahrhunderts neu geschrieben werden, sobald die gesamte Heuchelei wegfällt und die Wahrheit über das Ausmass des antikommunistischen Wahns klar geworden ist und damit das vorgegebene Geschichtsbild der USA ersetzt wird durch klare Analysen und gescheite Gedanken. Die USA, die die Gedankenfreiheit des Einzelnen als oberste Maxime verstehen und in ihrer Gründungsakte zuoberst deklarieren, diktierten und diktieren heute noch der ganzen Welt, wie sie ideologisch zu denken hat. Sie halten sich für das einzige ethische und moralische Gewissen dieser Welt. Das war, mit einem gewissen Rechtsanspruch, annehmbar nach dem Zweiten Weltkrieg in den Jahren nach 1945, wird aber noch heute sehr zu unrecht als sozusagen "heiliger" Anspruch erhoben, und dies fortschreitend intensiver als je zuvor. Diese Scheinheiligkeit ist ein geistiger Skandal, der von keiner Zeitung und keinem Fernsehen je thematisiert und offengelegt worden ist. Doch dieser Rechtsanspruch auf alleinseligmachende Ethik der stärksten Nation dieser Erde muss zu einem Hauptthema bezüglich der absehbaren Entwicklung im 21. Jahrhundert werden.
Heute sterben die Afrikaner zu Hunderttausenden an AIDS, bald sind es Millionen. Doch diese Toten sind praktisch kein Thema. Man stelle sich die Abendnachrichten vor, wenn diese Todeszahlen aus den USA oder aus dem weniger verlogenen und auch ideologisch weniger mächtigen Europa kämen: An jedem Abend würde Bodycount betrieben, es würde nachgezählt, wie viele neue Menschenleben AIDS gefordert hat und was alles unternommen wird, um dieser Todesflut ein Ende zu setzen. Was hier wirklich wichtig ist, ist der Begriff des Menschen und seines Wertes. Es kann nicht angehen, dass eine Nation über Leben und Tod in anderen Nationen bestimmt. Während die Bürger dieses Landes immer reicher werden und immer höhere Vermögen auf den Banken horten, stirbt der Rest der Menschheit. Jene Einflussmächtigen, die diese ungewollte Menschenvernichtung aufhalten könnten, bleiben stumm oder blenden sich selbst in ihrem Machtgehabe und heben nur die Schultern: Da kann man wirklich nichts machen. Der Kreis hat sich geschlossen: Man konnte nichts machen, als antisozialistische Kriegsgurgeln in den USA zum Töten und Foltern ausgebildet wurden und man kann heute nichts machen, wenn medizinische Hilfe oder sozialer Beistand an die schwachen Nationen nur zum Schein in Aussicht sind, obschon die amerikanische Ideologie des kapitalistischen Neoliberalismus gleichzeitig und verdeckt kräftig das Feuer schürt, worin die benachteiligten Volksteile der Erde später jede Hoffnung auf ein lebenswertes Leben langsam vernichtet sehen.
Nun vergleiche man die tatsächlichen Verbrechen des vergangenen 20. Jahrhunderts und des angelaufenen 21. Jahrhunderts mit den geschichtlich überlieferten und erkenne endlich: Die Geschichte muss neu geschrieben werden. Es gibt kein unwertes afrikanisches, asiatisches und südamerikanisches Leben. Diesen Unsinn sollten wir uns nicht mehr bieten lassen von ideologisch überhöhten Trendsettern des falschen Denkens, von "Denkern" und Philosophen, die uns im alles vernichtenden Technologieglauben eine riesige Fata Morgana vorgaukeln und den benachteiligten Mehrheiten auf diesem Erdball in ihrem Machtwahn - als privilegierte Nationen - keine lebenswerte Zukunft mehr gewähren werden.
Eine neue Geschichtsschreibung über die Vergangenheit, das Erschrecken über die wahren Verhältnisse in der Gegenwart und das richtige intuitive Erahnen der Zukunftsentwicklung als Konsequenz des Verstehens der Menschheitsgeschichte sind keine Wünsche, sondern ein Imperativ für die Korrekturen am Gesellschaftsbild dieser Menschheit und das Bestreben, eine Gleichberechtigung der Völker und einen wahren Weltethos und Moralbegriff für unsere Gattung grenzüberschreitend und weltweit zu erwirken.
