IWF war das Problem - nicht die Lösung


In einer hervorragenden Fernsehdokumentation wird der vormalige Generaldirektor des IWF (Internationaler Währungsfonds), Herr Camdessus, einige Monate lang bei seiner Arbeit beobachtet. Zeitversetzt nehmen die Zuschauer teil an wichtigen Sitzungen in Nicaragua, Nigeria und Russland, sogar an Heimkonferenzen im Entscheidungsgremium in Washington ist die Kamera zugelassen. Was sofort auffällt: der ungeheuer primitive technologisch-ideelle Ansatz des Denkens in allen Besprechungen und Sitzungen. Es geht immer um dasselbe: Die Länder wollen möglichst viele Mittel mit möglichst wenig Eingriffen in ihr Staatswesen und in die Finanz- und Steuerpolitik des Landes erreichen. Auf der anderen Seite des Konferenztisches bringt der IWF alle Offerten in Zusammenhang mit der Staatsrechnung, die zwangsläufig dahin gebracht werden sollte, dass die Staaten über Steuern und Gebühren mehr Einnahmen erwirtschaften, als sie für öffentliche Ausgaben (meist durch hohe Militarisierung verursacht!) verbrauchen.

Nicaragua macht geltend, dass das Land eine ungeheuer schädliche Katastrophe durch den Wirbelsturm "Mitch" erleiden musste, was alle vergangenheitlichen Bemühungen zunichte gemacht habe. Camdessus ist hartnäckig und will, dass zwar ein Soforthilfe-Kredit erfolgt, dass aber die Finanzlage langfristig wieder ins Lot gebracht wird. Das heisst, die ordentlichen Finanzhilfen werden nicht erhöht, ohne dass die vorherigen Staatsquoten trotz Wirbelsturm wieder erreicht werden. In Nigeria bestehen dicke Herren mit schwarzer Haut darauf, dass die Zukunft des Landes rosig sei und dass deshalb die Finanzspritzen erhöht werden müssten. Doch der IWF konfrontiert die überheblichen Herren mit den Tatsachen: Chaos, Korruption, Geldflucht und unkorrekte Staatsführung und dadurch ungenügende Staatsüberschüsse etc. Es endet mit einem Kompromiss und vielen leeren Versprechungen.

Am schlimmsten aber ist die Situation in Russland. Die hohen Herren der russischen Regierung und der DUMA bestehen darauf, dass für ein Nichts an Entgegenkommen hohe Kredite vom IWF zu sprechen wären. Camdessus droht mit Abreise und Verschiebung weiterer Krediterteilungen. Der ganze Streit geht um die Tatsache, dass die russische Regierung nicht fähig ist, die geschuldeten Steuern von Milliardären mit riesigen Villen vor Moskau einzufordern und deshalb ein Staatsdefizit enormer Höhe ausweisen müsse. Die Regierung solle endlich ihre Hausaufgaben machen, bevor irgendwelche weiteren Kredite gesprochen werden, meint Camdessus.

Hier zeigt sich das wahre Gesicht der fehlgeleiteten Ideologie des Kapitalismus auf beiden Seiten: Die Regierungen wollen zu Gunsten ihrer Vasallen privat immer reicher werden zu Lasten der öffentlichen Ausgaben für das allgemeine Volk und nur dafür lohnt es sich für sie, internationale Mittel zu verbraten. Und der IWF will die eingetriebenen Steuergelder vieler Länder verpulvern, zum kuriosen Preis, dass wiederum die Regierungen anderer ärmerer Länder gnadenlos Steuern und Gebühren eintreiben, ohne sich wirklich darum zu kümmern, wer schliesslich diese Leistungen vollbringen muss. Die verbrecherischen und korrupten Pfründensucher sind die den Mächtigen im Staat nahestehenden Institutionen und Personen. Das arme Volk und der Mittelstand sehen nichts vom Geldsegen, ja sie bezahlen am Schluss die Zeche mit noch höherer Armut und ächzen unter ungerecht verteilten Belastungen an Steuern und Staatsabgaben, die wiederum in die Taschen der Privilegierten fliessen.

An diesem Widerspruch und an dieser institutionalisierten Ungerechtigkeit wird schliesslich die ganze Idee des IWF Schiffbruch erleiden. Ohne ethisch-moralische Grundwerte und Kontrolle der Ausübung dieser Rechte ist der Kapitalismus eine reine Geld-Umverteilungsmaschinerie, ohne Hirn, ohne Zweck, ohne Moral und ohne Skrupel. Wenn ich etwas gelernt habe aus dieser Dokumentation, dann ist es dieses: Der Kapitalismus wird einbrechen, weil die Geldströme zu unmöglichen Situationen im Finanzgefüge der Welt führen und deshalb das ganze Chaos auf irgendeine Weise zusammenbrechen wird, sei es wegen Revolutionen, Regierungssystemwechseln, Unkontrollierbarkeit der Finanzeinnahmen und -ausgaben, Verschuldung der ganzen Welt und Raubbau an der Ethik wirtschaftlichen Denkens.

Wir sind auf dem falschen Dampfer, wenn wir glauben, der liebe Camdessus werde es schon richten. Ein Mensch, der dermassen roboterhaft den Neoliberalismus und den Globalismus verkörpert, macht zwar seine Hausaufgaben nach Erwartungen der Regierungen hervorragend, doch gleichzeitig ist er sich noch nicht einmal bewusst, dass er falsche Denkrichtungen und Ideologien vertritt, Ideologien, die sich als Grabschaufler unserer Zivilisation und ihres neoliberalen Denkens auf globaler Basis erweisen werden.