'Schöne neue Welt'

Heute, den 31. Dezember 2001, Peter Drucker gelesen, genauer den Artikel "Die Gesellschaft von morgen". Herrlich, wie dieser als grösster Wirtschaftsdenker des ausgehenden Jahrhunderts bezeichnete Mensch es versteht, Optimismus zu verbreiten: Wachstum von Reichtum, Wissen,  Arbeit,  Konzernen, Supermanagern, Schulen der Informatik und der Zukunftswirtschaft. Mehr Fortschritt, mehr Freiheit, mehr von allem, keine Blässe des Zweifels, eine Welt der Erfolgreichen der westlichen Welt, die es geschafft hat und dafür sorgen wird, dass bald einmal die ganze Welt es schaffen wird, eben, dass es uns in Zukunft noch allen besser gehen wird, dank mehr Wissen, mehr Information, dank den Wissensarbeitern in Wissensorganisationen einer total neuen Art. Wir wandern ab in eine Welt der totalen Machbarkeit des Glücks, universitär behandelt vom grössten Denker unserer Zeit. Jetzt verstehe ich endlich: Ich bin ein Idiot. Warum mache ich mir Gedanken über die Zukunft unserer Menschheit, wenn Peter Drucker alles schon gelöst hat, die Zukunftsängste, die Zukunftsarbeitsstellen, die Zukunftsmanager des Machbaren? Ich muss wohl blind und taub gewesen sein gegenüber den Realitäten des Seins, hervorgebracht aus einer eingeschränkten Denkwelt eines grossen Denkers dieser Zeit, eines Denkers, der vom Machbarkeitswahn des Bestehenden geistig völlig eingekerkert ist.

Oder war Peter Drucker der grosse Verdränger? Listen wir sie doch auf, die geistigen Fehlleistungen eines Peter Drucker:

1.         Die Ökologie: Auf sechs vollen Zeitungsseiten kein Wort über die Probleme der zukünftigen Generationen, wo Natur, Wasser, Boden und Luft immer rarer werden, gerade infolge der Politik der Fortsetzung von Wachstum und Fortschritt.

2.         Die Ressourcen: Glaubt Drucker tatsächlich, dass Wissen den Verbrauch der begrenzten Ressourcen ersetzen wird? Ganz im Gegenteil: Die Masche der Machbarkeit der Zukunft heisst nichts anderes, als dass man die Irrtümer der Vergangenheit fortsetzen wird, bis der absolute Nullpunkt der Machbarkeit ohne Ressourcen erreicht sein wird.

3.         Die Information: Drucker selbst gibt zu, dass alle Manager an die Grenzen ihres Denkens gestossen sind und eigentliche Genies sein müssten, um Grösstkonzerne noch leiten zu können. Und seine Lösung? Noch mehr Informationschaos, das er glaubt mit Spezialisten der Suchmaschinen zähmen zu können. Welch ein Illusionist! Wenn ich Dummheit nur weniger hassen würde.

4.         Die Menschen: Kein Wort von Drucker zu jenen Menschen, die in diesem "Erfolgs"-Modell nichts zu suchen haben. Alle jene Menschen, die weder über die Mittel noch die Intelligenz noch die Energie noch das Geld noch die Schulbildung noch die Überzeugung verfügen, um in diesem Modell zu leben. Er lässt sich feiern als Seher der zukünftigen Moderne und macht sich lustig über jene, die noch blöderer Zukunfts-Sciencefiction-Modelle entwerfen, ohne zu merken, dass sich die fundamentalen Wahrheiten nie Platz verschaffen konnten in seinem Gehirn. Selbst wenn man sich alle Menschen, die heute arm und kraftlos sind, wegdenken könnte und nur noch die gut geschulten und erfolgreichen Menschlein auf der Erde zurück blieben, selbst dann wäre das Modell einer lebenswerten Zukunft von Druckers Gnaden eine einzige geistige Fehlleistung der gigantischen Art.

5.         Die Banken und Börsen: Durch seine kapitalistische Denkweise hat Drucker keine Ahnung von den Katastrophen, die uns noch bevorstehen, weil das Gelddenken nicht anders enden kann als mit einem riesigen, weltweiten Kollaps der Börsen- und Banksysteme. Eigentlich absolut unverständlich, dass Menschen, die betriebs- und volkswirtschaftlich geschult sind, einfach nicht in der Lage sind, das Normale zu sehen, das Alltägliche zu extrapolieren auf den Endpunkt zu, die Vernichtung aller Geldwerte. Es ist einfach zu sehen, dass ein Vakuum der Vorstellungen angesichts der Wucht des Wirklichen zu einer Implosion der Werte führen wird, doch niemand scheint noch die Kraft zu haben, ausserhalb arrangierter Denknormen des Konsenses zu denken und zu verstehen.

Ich bin mit Peter Drucker in keinem Punkt einverstanden, denn selbst dort, wo er gescheite Gedanken und Gefahren sieht, die seinen grundlegenden Optimismus bremsen sollten, ist sein Fundamentaldenken derart in der Sackgasse des falschen Verständnisses, dass was bisher funktionieren konnte, immerdar zu funktionieren habe, so dass ich nur erstaunt feststellen kann: Menschen, die wirklich logisch, universell und vernetzt denken können in einer Zeit, da das totale Chaos droht, diese Menschen gibt es noch nicht. Und der Preis, den wir alle dafür zu bezahlen haben? Der Preis steht in all meinen Schriften unverrückbar festgeschrieben, jedermann zugänglich, festgeschrieben wie Hieroglyphen in gemeisseltes Gestein. Doch werden meine Denkansätze und Lösungswege von keinem Menschen zur Kenntnis genommen, geschweige denn richtig verstanden. Dagegen feiern Irrläufer des Fortschreibens dummer philosophischer Denkgrundsätze ihre Triumphe ab, während Neudenker, die der heutigen Zeit angemesseneres Denken kreativ erarbeiten, zu Tode geschwiegen werden.